Die Eidgenossenschaft und ihre russischen Oligarchen: Das Schweizer Fernsehen SRF widmete dem Thema der Stunde einen Dokfilm. Der Streifen rückt die Umsetzung der Sanktionen in den Fokus, aber auch die Überforderung in den Ämtern. Hauptrollen spielen Lobbyist Thomas Borer (64) als geläuterter Held («Bis 2010 hat er Viktor Vekselberg beraten, dann hat er einen Schlussstrich gezogen»), der gereizte Zuger SVP-Finanzdirektor Heinz Tännler (61, «Jetzt gönd Sie zwiit!») – und der Nobelkurort St. Moritz.
Die Story dreht sich um den russischen Industriellen Andrei Melnitschenko (50), der in der Oberengadiner Gemeinde seinen Wohnsitz hat – und auf der Sanktionsliste steht. Weil die Journalisten nicht an ihn herankommen, gibt die Hausangestellte aus einer Nachbarvilla Auskunft («Manchmal veranstalten sie Partys»). Dann wird ordentlich mit Klischees über das «Russenpflaster» auf 1800 Höhenmeter geklotzt: Champagner und Kaviar, Partys und Pelzmäntel. Und zwischendrin immer wieder Co-Autorin Kathrin Winzenried: beim Telefonieren, beim Gehen, beim Gucken.
Die Tourismus-Chefin, die keine mehr ist
Am Ort des Geschehens sorgt der Film für Unmut. Die Gemeinde St. Moritz reicht bei der Ombudsstelle Beschwerde gegen den Beitrag ein, wie Mediensprecher Fabrizio D’Aloisio bestätigt. «Wir sind überrascht und sprachlos über die Sendung», sagt er zu SonntagsBlick. Stein des Anstosses: Die Macher zeigen Archivmaterial, das laut D’Aloisio insinuiert, dass in St. Moritz trotz Ukraine-Krieg Partystimmung herrsche. Die Aufnahmen des russischen Silvesters bei Ljuba Manz in Zürich zum Beispiel oder die des Trüffel raspelnden Kochs Reto Mathis stammten ebenso aus der Konserve wie der Mitschnitt eines feuchtfröhlichen Fests von 2011. Vor allem ist die zitierte Ariane Ehrat, die sich sehr positiv über russische Gäste äussert, entgegen der Einblendung durch SRF seit fünf Jahren nicht mehr Tourismus-CEO.
Man habe in den letzten zehn Jahren nie mehr als drei Prozent russische Gäste gehabt, verlautet aus der Gemeindeverwaltung um Präsident Christian Jott Jenny (44). D’Aloisio: «Wir hatten im Februar viermal so viele brasilianische Logiernächte wie russische. Ich habe noch nie gehört, dass wir deswegen ein Brasilianerpflaster sind.»
SRF teilt auf Anfrage mit: «Wenn eine entsprechende Beanstandung eingeht, wird die Redaktion – wie immer in solchen Fällen – gegenüber der Ombudsstelle ausführlich Stellung beziehen. Deshalb bitten wir um Verständnis, dass wir uns vorher nicht öffentlich dazu äussern können.»