Ich (m, 25) date derzeit – nachdem wir lange nur befreundet waren – eine Frau (25), die letzten Sommer ihre 10-jährige Beziehung beendet hat. Sie will sich nicht ernsthaft auf eine neue Beziehung einlassen, weil sie seither noch kaum Single-Erfahrungen gemacht hat und fürchtet, etwas zu verpassen. Ich schrecke ebenfalls zurück, weil ich Angst habe, dass sie mich irgendwann genau deswegen fallen lässt.
Es ist verständlich und gesund, wenn eine junge Frau, nachdem ihre erste Beziehung so lange gedauert hat, erst einmal ihre Unabhängigkeit entdecken will. Und es spricht für den gegenseitigen Respekt zwischen Ihnen, dass sie sich all diese Gedanken macht, bevor es ernst wird zwischen Ihnen beiden.
Allerdings scheint es schon länger ernst zu sein: Sie waren enge Freunde, die gemerkt haben, dass da mehr ist als kollegiale Zuneigung, und sind seither intim miteinander. Natürlich kann man das «daten» nennen. Aber das wäre eine Untertreibung – faktisch haben Sie eine Beziehung. Die Frage ist nur, wie Sie sich zu dieser Tatsache stellen. Oder besser: warum Sie sich nicht dazu bekennen.
Die Gründe wurden zwar genannt: Ihre Freundin hat Angst, «etwas zu verpassen», und Sie fürchten, «fallen gelassen» zu werden. Aber was meinen Sie damit? Warum wählen Sie genau diese Wörter? Glaubt Ihre Freundin, sie brauche zwingend mehrere Männer, um aufregende, schöne Erfahrungen zu machen, und sie sei mit einem einzigen diesbezüglich eingeschränkt? Und woher nehmen Sie die Gewissheit, man würde Sie von heute auf morgen wie einen Kaffeebecher entsorgen – und Sie würden sich dann fühlen, als lägen Sie in einem dunklen Mülleimer?
Reden Sie offen miteinander darüber, was Sie füreinander empfinden, was Sie voneinander brauchen, was für Sie wichtig ist und was inakzeptabel. Wenn es Ihnen hilft, Ihre Beziehung nicht Beziehung zu nennen, ist das okay. Und wenn Ihre Freundin derzeit nicht exklusiv sein will mit Ihnen, ist das auch okay – solange es für Sie okay ist.
Es gibt natürlich die Möglichkeit, dass Sie dazu stehen, ein Paar zu sein, das einander rundum erfüllt und befriedigt und weiss: Für die nächste Zeit gibt es nichts Passenderes. Das wäre ja dann auch keine Katastrophe, oder?