Man kann beide Seiten gut verstehen: Sie sind eine junge Frau, kein Kind mehr, und wollen entsprechend behandelt werden, während Ihre Eltern eben Eltern sind und somit in unablässiger Sorge um Ihr Wohlergehen. Die Idee, dass das je aufhören wird, können Sie sich übrigens gleich jetzt aus dem Kopf schlagen; die beiden werden bestenfalls lernen, ihre Schreckensvisionen für sich zu behalten.
Sie möchten, dass Ihre Eltern Ihnen vertrauen, und vermutlich tun sie das auch längst. Aber sie vertrauen der Welt nicht, und das leider mit gutem Grund – gerade als Eltern einer Tochter, die naturgemäss nur bedingt auf sich aufpassen kann. Darüber, ob irgendein Dreckskerl Ihnen unbemerkt K.-o.-Tropfen in den Drink schüttet, haben Sie beispielsweise keine Kontrolle. Und die Wahr-scheinlichkeit, dass so etwas passiert, ist vor 21 Uhr in der Tat wesentlich geringer als um Mitternacht, wenn die Dreckskerle am aktivsten sind.
Während Sie also akzeptieren müssen, dass Ihre Eltern Sie immer vor Unbill schützen wollen und die Menschheit – vor allem der männliche Teil – ihnen auch ausreichend Anlass für dieses Bestreben liefert, müssen Ihre Eltern lernen, ihre Sorgen einfach auszuhalten und dem Leben zu vertrauen. Schliesslich können Sie auch mit 40 noch Pech haben im Dunkeln.
Nehmen Sie die Sorgen Ihrer Eltern nicht als Misstrauens-, sondern als Liebesbeweis und kommen Sie ihnen entgegen, indem Sie mit ihnen eine Vereinbarung ausarbeiten, die alle Bedürfnisse respektiert: mehr Freiheit für Sie und weniger Angst für Ihre Eltern. Sie könnten ihnen etwa vorschlagen, dass Sie erst um 22 Uhr zu Hause sind, aber dafür um 21 Uhr eine kurze Alles-okay-Nachricht schreiben. Das ist ein fairer Kompromiss – fair auch für Ihre Eltern.