Monica Lewinsky ist inzwischen 50 Jahre alt. Dass sie ihren Humor trotz all der schrecklichen Ereignisse nicht verloren hat, zeigt sie dieser Tage auf X. Hintergrund ist eine Zeile aus Taylor Swifts neuem Song «Who’s Afraid of Little Old Me», in dem es heisst: «You wouldn’t last an hour in the asylum where they raised me» («Du würdest es keine Stunde in der Nervenklinik aushalten, in der sie mich grossgezogen haben»). Auf X stellten die User ein Foto von Orten dazu, die sie zu dem gemacht haben, was sie sind. Lewinsky postete ein Bild vom Weissen Haus.
Als Lewinsky, damals 24-jährige Praktikantin, eine Affäre mit Bill Clinton hatte, dem US-Präsidenten jener Zeit, waren es nie komplett aufgeklärte Geschehnisse an jenem historischen Ort, die das ganze Land in Schnappatmung versetzten. Über Nacht wurde Lewinsky, wie sie später selbst sagte, zu der «am meisten gedemütigten Person der Welt», zur Zielscheibe für sexistische Witze, zur Hassfigur der Nation: «Ich war Patientin null.» Damit meint sie: «Ich wurde zum ersten Menschen, dessen Ruf weltweit durchs Internet zerstört wurde.»
Clinton stritt alles ab und sagte vor Kameras und Mikrofonen: «Ich hatte nie eine sexuelle Beziehung mit dieser Frau.» Erst ein halbes Jahr später gab er zu, dass er eine «unangemessene Beziehung» mit Lewinsky hatte. Er überstand ein Amtsenthebungsverfahren, kittete seine Ehe mit Hillary Clinton und verliess 2001 das Amt – mit der höchsten Sympathierate, die je für einen US-Präsidenten ermittelt wurde.
Lewinsky verschwand fast zehn Jahre lang von der Bildfläche, zog nach London und beendete ihr Psychologiestudium. Vergeblich bewarb sie sich für Jobs, doch wegen ihrer Vergangenheit wollte sie niemand einstellen. Oft habe man ihr geraten, ihren Namen zu ändern. Aber das lehnte sie konsequent ab. «Niemand hat Bill Clinton je gefragt, ob er seinen Namen ändert», so Lewinsky.
Scham und Überleben
Erst im Mai 2014 meldete sie sich wieder zu Wort, in einem Essay für die Zeitschrift «Vanity Fair». Der Titel: «Scham und Überleben». Darin beschreibt sie zum ersten Mal den Skandal aus ihrer Sicht. «Natürlich hat mein Boss mich ausgenutzt», so Lewinsky. «Aber ich bestehe darauf: Es war eine Beziehung im gegenseitigen Einverständnis.» Der Missbrauch sei erst damit geschehen, dass man sie danach, um Clintons Machtposition zu schützen, zum Sündenbock machte.
Ein Jahr später gab sie einen TED-Talk, wo sie vor Publikum über ihre Mobbing-Erfahrungen sprach. Es war der Anfang ihres Comebacks. «Meinen Part in dieser Geschichte haben jahrzehntelang andere erzählt», sagte Lewinsky. «Es ist mir tatsächlich erst in den letzten paar Jahren gelungen, meine Version der Geschichte zurückzuerobern, fast 20 Jahre später.»
Durch die #MeToo-Bewegung, die 2017 begann, habe sich ihr Image geändert, so Lewinsky: 2018 postete auch sie auf X den Hashtag #MeToo. Darauf habe ihr eine Frau geschrieben: «Es tut mir leid, dass du so allein warst.» Das habe sie sehr berührt.
Lewinsky war ein #MeToo-Fall, bevor es die Bewegung überhaupt gab. Doch 1998, im Jahr der «Lewinsky-Affäre», konnte sie nicht auf Hilfe zählen, sogar Feministinnen verspotteten sie. Lewinsky soll jeden Tag zwischen Bergen von Hassbriefen nach Worten der Unterstützung gesucht haben – oftmals vergeblich.
«You've got the power»
Nach mehr als einem Vierteljahrhundert hat sich das Narrativ verändert: Kürzlich arbeitete Lewinsky mit dem nachhaltigen Modelabel Reformation zusammen, das auf der Plattform vote.org US-Bürgerinnen und -Bürger zum Wählen ermutigt. «You’ve got the power» heisst die Kampagne.
Und das passt: Lewinsky hatt die Power, die Deutungshoheit über ihr eigenes Leben zurückzuerobern. Heute ist sie Anti-Mobbing-Aktivistin, Feministin und Mitproduzentin einer Serie über ihre Beziehung mit Bill Clinton.
Für viele, die nach 1998 geboren sind oder damals noch zu jung waren, ist Lewinsky heute eine Art feministische Ikone: Als sie beispielsweise in einem Interview auf Bill Clinton angesprochen wurde, stürmte sie davon. Auf X solidarisierten sich Tausende mit ihr, entschuldigten sich und lobten sie dafür, «das Richtige getan zu haben».
Überhaupt erfährt Lewinsky viel Zuspruch in den sozialen Medien, was auch an ihrer humorvollen und selbstironischen Art liegt. Auf die Frage nach dem schlechtesten Karrieretipp antwortete sie locker: «Praktikum im Weissen Haus».