Corona-Skeptiker legen Akten an
Mit Geheimdienst-Methoden gegen Impfungen an Schulen

Corona-Skeptiker spielen Privatdetektiv, fotografieren Impfaktionen und erstellen Protokolle. Manche Schulen riefen bereits die Polizei.
Publiziert: 31.10.2021 um 01:18 Uhr
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Aktualisiert: 31.10.2021 um 09:40 Uhr
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Die Dokumentationen sollen gemäss den Impfgegnern für eine «juristische Aufarbeitung der vermeintlichen Taten» dienen. Und wohl auch zur Einschüchterung.
Foto: Keystone
Fabian Eberhard

Die Impfoffensive an Schweizer Schulen erzürnt Corona-Skeptiker. Einige von ihnen haben sich nun im Hintergrund zusammengeschlossen, um dagegen vorzugehen.

Die anonymen Aktivisten nennen ihr Projekt «Impfdruck». Im Onlinemessengerdienst Telegram schreiben sie: «Helft mit, schweizweit dieses verbrecherische Vorgehen zu dokumentieren. Das Projekt kann gross werden!»

Aus ihrem Ziel machen die Impfgegner kein Geheimnis. Als gelungenes Beispiel verweisen sie auf Ereignisse vor knapp einem Monat in Chur GR. Dort wollte die Stadt Schülerinnen und Schüler ab zwölf Jahren auf Pausenplätzen impfen. Nach Drohungen sagten die Behörden die Aktion jedoch kurzfristig ab. Die Stadt fürchtete um die Sicherheit von Impfpersonal, Schüler- und Lehrerschaft. Laut Stadtrat Patrik Degiacomi gab es sogar Morddrohungen gegen Verantwortliche.

Das neue Projekt «Impfdruck» soll nach Darstellung von Corona-Skeptikern in erster Linie dazu dienen, die Impfungen an Schulen zu überwachen. «Wir erachten die Mitarbeit im Rahmen solcher Impfaktionen als illegal und werden diese folgedessen entsprechend dokumentieren», schreiben sie auf Telegram. Die Dokumentationen würden später für eine «juristische Aufarbeitung der Taten» gebraucht.

Skeptiker spielen Geheimdienst

SonntagsBlick liegt eine dieser Aufzeichnungen vor. Sie stammt von der Impfaktion am 17. September 2021 am Gymnasium in Burgdorf BE und erinnert an das Überwachungsprotokoll eines Geheimdienstes.

Auf zehn Seiten beschreiben die Skeptiker detailliert, wer wo und wann was getan hat. «Kurz vor 9 Uhr: Das Impfteam fährt mit einem grauen Auto der Marke Skoda vor. Es handelt sich um einen Mietwagen der Firma X.* Aus dem Auto wird mutmasslich eine Kühlkiste ausgeladen, die vermutlich den Impfstoff enthält.» Und weiter: «Gemäss dem Schild hinter der Windschutzscheibe wird vermutet, dass es sich beim vermeintlichen Impfteam um Angestellte des Spitals Y.* handelt»

Für die Dokumentation haben die Corona-Skeptiker sämtliche Handlungen der involvierten Personen fotografiert, deren Namen recherchiert und auch das Innere von Autos fotografiert. Sie versuchten zudem, ins Schulhaus zu gelangen.

Daraufhin verständigten die Verantwortlichen des Burgdorfer Gymnasiums die Polizei. Prorektorin Sylvia Klöti: «Bedroht fühlten wir uns durch die Impfskeptiker nicht. Hingegen ist es unsere Aufgabe, einen geordneten Schulbetrieb aufrechtzuerhalten.»

Legale Einschüchterungstaktik

Wer genau hinter der Aktion «Impfdruck» steckt, ist unklar. Die Spuren führen zur Gruppierung Familientaskforce, einem Verein, der auch gegen die Maskenpflicht an Schulen kämpft. In einem Telegram-Chat der Gruppe teilen Massnahmen-Gegner Verschwörungstheorien und machen Stimmung gegen die Corona-Impfung.

Strafbar machen sich die Impfgegner mit ihren Überwachungsaktionen wohl nicht. Und doch stellt sich die Frage, warum sie das tun. Und ob die Dokumentationen auch zur Einschüchterung dienen sollen.

Der Verein Familientaskforce rechtfertigt sich per Mail: «Wir sind weniger geheim als die komplette Liste der Inhaltsstoffe einer Impfung.» Man habe sich deshalb folgendes Motto auf die Fahne geschrieben: «Finger Weg von unseren Kindern.»

Impfgegner hin oder her – in vielen Kantonen gehen die Schulimpfungen weiter. Im Kanton Aargau beispielsweise wurden bisher mehr als 2500 Schülerinnen und Schüler geimpft, in Zürich 4200. Ein Grossteil davon mithilfe mobiler Impfequipen.

Security muss aufgeboten werden

Einige Kantone setzen auf dem Schulgelände mittlerweile Security-Personal ein. Passiert ist aber nichts. «Bisher kam es zu keinen schwerwiegenden Zwischenfällen», sagt etwa Michel Hassler, Sprecher des Gesundheitsdepartements Aargau. Einzig «kleinere Auftritte von Protestierenden» habe es gegeben.

Schweizweit sind mittlerweile knapp 40 Prozent aller zehn bis 19-Jährigen vollständig geimpft. Diese Quote soll weiter steigen – auch im Kanton Bern. Am Dienstag findet am Gymnasium Burgdorf erneut eine Impfaktion statt. Die Skeptiker von «Impfdruck» haben sich bereits wieder angekündigt.

* Name bekannt

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