Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli zur Pandemie
«Bald dürften wir grösstenteils wieder Normalität haben»

Es sei an der Zeit, «dass wir der Bevölkerung reinen Wein einschenken», sagt die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli. Sie erwartet eine «kurze, heftige Monsterwelle». Dann dürfte das Virus «endemisch werden, wie eine Grippe». Von Ungeimpften fordert sie Opfer.
Publiziert: 09.01.2022 um 04:33 Uhr
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Aktualisiert: 09.01.2022 um 08:39 Uhr
Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli sagt, wir müssten durch die Omikron-Monsterwelle durch. Danach sei die Pandemie wohl überstanden.
Foto: Keystone

Der Bund meldet mittlerweile rund 30'000 neue Corona-Fälle täglich. Und das sei erst der Anfang. Es sei an der Zeit, «dass wir der Realität ins Auge schauen und der Bevölkerung reinen Wein einschenken», sagt die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (45, SVP) im Gespräch mit der «NZZ am Sonntag».

Es komme eine «Monsterwelle» auf uns zu, «die sich nicht mehr stoppen lässt». Alle würden betroffen sein, sagt Rickli: «Die Gesellschaft, die Wirtschaft, jedes Individuum – die Ungeimpften stärker als die Geimpften. Das muss man jetzt klar sagen, und ich hoffe, dass das auch der Bundesrat am Mittwoch tut.»

Man könne diese Situation nicht mehr schönreden, sondern müsse die Bevölkerung mitnehmen auf den schwierigen Weg, der bevorstehe. Rickli erwartet, dass diese Welle «heftig, aber kurz» sein werde. «Dann dürfte das Virus endemisch werden, wie eine Grippe.» So schätzten es auch ihre Fachleute ein. Eine Normalisierung der Lage könne Ende Februar oder aber im Frühling erfolgen.

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Durchseuchung jetzt «einfach die Realität»

«Bald dürften wir grösstenteils wieder Normalität haben», sagt Rickli. Omikron sieht sie dabei als Chance. Weil dennoch immer mehr Personen in Quarantäne und Isolation müssen, fordert Rickli gemeinsam mit ihren Ostschweizer Kollegen vom Bund eine Verkürzung auf fünf Tage.

Hoffnung wecke insbesondere die Situation in den Spitälern. Es gebe nur etwa halb so viele Covid-19-Patienten wie in der Welle vom letzten Winter, als es noch keine Impfung gab. Es scheine tatsächlich so, dass Omikron viel weniger schwere Fälle verursache.

Durchseuchung sei jetzt «einfach die Realität, dass wir nun alle eine Immunisierung aufbauen werden. Sei es durch den Booster oder durch die Ansteckung», so Rickli. Allein im Kanton Zürich könne es Ende Januar zu täglich bis zu 40'000 neuen Fällen kommen. Viele Infektionen blieben jedoch unentdeckt, weil sie asymptomatisch sind.

«Völlig neue Situation»

Doch Rickli ist überzeugt, diese Zahlen «werden unsere Gesellschaft lähmen, wenn wir jetzt nicht handeln». Unternehmen müssten Vorkehrungen treffen, damit sie weiter funktionieren können, wenn viele Angestellte krank werden oder in Quarantäne müssen. «Als Behörden müssen wir dafür sorgen, dass die Grundversorgung weiter gewährleistet werden kann.»

Auch das Testen und verfolgen von Kontakten müsse angepasst werden: «Testen taugt bei so hohen Zahlen kaum mehr zur Pandemiebewältigung. Wir haben jetzt einfach eine völlig neue Situation, die wir mit den bisherigen Mitteln nicht mehr im Griff halten können.» Das sei «auf der ganzen Welt so». Man könne nicht mehr alles kontrollieren: Testen müssen wir prioritär dort, wo es wichtig ist, etwa im Gesundheitswesen und bei Leuten mit Symptomen.»

Ungeimpfte sollen auf Intensivbehandlung verzichten

Vom Bund fordert Rickli, jetzt dringend die Dauer der Quarantäne und der Isolation auf fünf Tage zu reduzieren. Darum hätten die Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren der Ostschweizer Kantone den Bundesrat am Freitag per Brief gebeten. «Sonst sitzen wir bald alle in einer Art Lockdown.»

Es gehe darum, zu vermeiden, dass zu viele Leute gleichzeitig krank werden. Ein Lockdown, so Rickli, würde das Problem bloss nach hinten schieben. «Die Bevölkerung wäre auch nicht mehr bereit, da mitzumachen.» Die meisten seien inzwischen auch geimpft, die Hälfte von ihnen geboostert: «Sie alle haben ihre Verantwortung wahrgenommen und verfügen über einen guten Schutz. Es wäre nicht richtig, diese Personen über lange Zeit einzuschränken.»

Die Gefahr einer Triage auf Intensivstationen sieht Rickli nicht. Notfalls müssten nicht unmittelbar dringende Eingriffe abgesagt werden. Ins Gebet nimmt Rickli abermals die Ungeimpften, die im Moment rund 80 Prozent auf den Zürcher Intensivstationen ausmachen würden. «Vor allem aber müsste man dann jene beim Wort nehmen, die sich partout nicht impfen lassen wollten. Ich finde, solche Patienten sollten auch bereit sein, auf Intensivbehandlung zu verzichten. Es kann nicht sein, dass die Ungeimpften uns als Gesellschaft weiterhin in Geiselhaft nehmen, jetzt wo man Licht am Ende des Tunnels sieht.» (kes)

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