Zwischen November 2018 und Juni 2022 soll der bekannteste Häftling der Schweiz, Brian Keller (27), 33 Delikte verübt haben. Diese Vorwürfe sind der Grund, warum die Zürcher Staatsanwaltschaft Brian hinter Gittern behalten will. Damit gab es eine weitere Wende im Fall. Eigentlich war angekündigt, dass Brian auf freien Fuss kommen soll, weil sonst eine Überhaft drohe. Daraus wird wohl nichts.
Gegenüber Blick erläutert Erich Wenzinger (48) von der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft, um welche Delikte es sich handelt: «Es geht dabei namentlich um einen Fall von versuchter schwerer Körperverletzung, um mehrfache Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, mehrfache Sachbeschädigung, mehrfache Drohung, einfache Körperverletzung.»
Präventive Anordnung von U-Haft nicht möglich
Mehr über die einzelnen Delikte will die Staatsanwaltschaft nicht bekannt geben. Damit bleibt vorerst unklar, welche davon in Einzelhaft und welche unter normalen Haftbedingungen begangen worden sein sollen. Brians Anwälte haben an einer Pressekonferenz am Donnerstag erklärt, der 27-Jährige habe sich seit der Entlassung aus der Einzelhaft in den normalen Gefängnisalltag im Januar sehr gut entwickelt.
Die 33 Delikte, die Brian in einem neuen Verfahren vorgeworfen werden, reichen teilweise bis ins Jahr 2018 zurück. Warum will die Staatsanwaltschaft ausgerechnet jetzt U-Haft beantragen, nachdem publik wurde, dass Brian wegen drohender Überhaft freigelassen werden soll? Im derzeit noch laufenden Haftregime der Sicherheitshaft sei es bislang aus rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, zusätzlich Untersuchungshaft zu beantragen, erklärt Wenzinger. «Erst mit der durch das Obergericht verfügten Entlassung aus der Sicherheitshaft besteht für die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, im hängigen Verfahrens diesen Antrag auf Untersuchungshaft zu stellen. Eine präventive Anordnung von Untersuchungshaft für den Fall einer Entlassung ist in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen.»
«Der Staat hat mein Leben zerstört»
Laut Wenzinger soll der Antrag auf Anordnung der Untersuchungshaft im Verlaufe des Wochenendes an das Zwangsmassnahmengericht übermittelt werden. Dieses hat anschliessend 48 Stunden Zeit, über den Antrag zu entscheiden.
Brian nimmt derweil auf Instagram Stellung zu seinem Fall: Fünf Jahre, ein Monat, sieben Tage, neun Stunden, 30 Minuten und 23 Sekunden sitze er schon in Sicherheitshaft. «Für nichts! Der Staat hält mich ohne Urteil gefangen. Der Staat hat keine Gerechtigkeit für mich. Der Staat hat mein Leben zerstört.» Man habe ihn im Gefängnis geschlagen und misshandelt – und nichts sei passiert. «Sie haben mich jahrelang gefoltert», schreibt Brian weiter. «Und nichts ist passiert.»
Obergericht muss neues Urteil fällen
Brian befindet sich seit 2017 ununterbrochen in Untersuchungs- oder Sicherheitshaft. Das Zürcher Obergericht gab am Dienstag bekannt, der 27-Jährige müsse aufgrund drohender Überhaft entlassen werden. Brian wird in einem älteren Verfahren vorgeworfen, von Januar 2017 bis Oktober 2018 im Strafvollzug verschiedene Delikte begangen zu haben. Die Strafe, die er dafür voraussichtlich bekommen wird, könnte durch die jahrelange Untersuchungs- und Sicherheitshaft aber bereits verbüsst sein.
Das Bezirksgericht Dielsdorf verurteilte Brian im November 2019 für die zwischen 2017 und 2018 begangenen Delikte zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten. Das Obergericht Zürich erhöhte die Strafe auf sechs Jahre und vier Monate, worauf das Bundesgericht diesen Entscheid mit Urteil vom 12. November 2021 aufhob und das Verfahren ans Obergericht zurückwies. Dieses hat noch kein neues Urteil gefällt. Das Verfahren um die 33 Delikte, die Brian zwischen November 2018 und Juni 2022 begangen haben soll, befindet sich im Vorverfahrensstatus.