Auf einen Blick
«Die letzten zwölf Monate haben mein ganzes Leben verändert. Ich fühle mich staatenlos und alleingelassen»: So beschreibt Rita Piatti die Erlebnisse mit ihrer Wohngemeinde Weiningen ZH, in der sie seit über 40 Jahren zu Hause ist. Die gebürtige Italienerin wollte sich einbürgern lassen. Doch statt des roten Passes kam der grosse Schock.
Rita Piatti lebt seit ihrer Kindheit in der Schweiz. «Die Einbürgerung war immer mein Lebensziel», erzählt die Rentnerin, die eigentlich anders heisst. Im März 2023 fasste sie sich ein Herz und reichte ein Einbürgerungsgesuch ein.
Schulden aus dem Jahr 2014
Einige Monate später erhielt Piatti von der Gemeinde Weiningen einen Brief, in dem sie aufgefordert wurde, Schulden in der Höhe von 13’310 Franken innert 15 Tagen zu begleichen. Die Schulden stammen aus dem Jahr 2014. Die Gemeinde hatte damals festgestellt, dass Piatti Einkünfte nicht gemeldet und demnach zu Unrecht Sozialleistungen bezogen hatte.
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Die Rentnerin legte Berufung ein. «Für mich war die Angelegenheit damit erledigt», sagt sie. Das sollte sich als folgenschwerer Irrtum herausstellen. Denn fast neun Jahre später und nur wenige Monate nach dem Einreichen ihres Einbürgerungsgesuchs erinnerte man sich bei der Gemeinde plötzlich an die alte Schuld, nachdem jahrelang nichts passiert war.
Abstottern bis ins Jahr 2046
Piatti nahm unverzüglich Kontakt mit der Gemeinde auf und einigte sich auf eine Rückzahlung von 50 Franken pro Monat. Kurz darauf erhielt sie eine Rückzahlungsvereinbarung zugeschickt. Bis ins Jahr 2046 sollte sie Monat für Monat den Betrag abstottern.
Die 72-Jährige, die Ergänzungsleistungen bezieht, versprach, das im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten zu tun, und überwies pünktlich die erste Rate. Die Vereinbarung unterschrieb sie jedoch nicht.
«Der Gemeinderat hat entschieden, dass er das Einbürgerungsgesuch von Frau Piatti behandelt, sobald eine unterzeichnete Rückzahlungsvereinbarung vorliegt», schreibt die Gemeinde Weiningen in einer Stellungnahme gegenüber dem Beobachter.
Doch davon wusste Rita Piatti nichts. «Der Zusammenhang zwischen der Einbürgerung und der Rückzahlungsvereinbarung wurde mir nie kommuniziert.»
Die Betreibung kam ohne Vorwarnung
Kurz nach der ersten Zahlung folgte der nächste Schock. Ohne Vorwarnung und Begründung betrieb die Gemeinde Rita Piatti für den geschuldeten Betrag. Die Rentnerin erhob Rechtsvorschlag und suchte das Gespräch mit dem Betreibungsamt Geroldswil-Weiningen.
Dort habe man ihr empfohlen, den Rechtsvorschlag zurückzuziehen, um hohe Verfahrenskosten zu vermeiden, erzählt die Rentnerin. Sie tat, wie ihr geheissen – und machte damit unwissentlich den Weg frei für die Betreibung. Beim Betreibungsamt verneint man, Piatti zum Rückzug des Rechtsvorschlags geraten zu haben.
«Das muss wehtun»
Kurz darauf fand ein weiteres Gespräch mit der Gemeinde statt. In einem Gedächtnisprotokoll notierte Rita Piatti einen Satz von Sozialvorstand und Gemeinderat Heinz Brunner: «Entweder Sie zahlen die Schulden zur Gänze, oder Sie werden betrieben – das muss wehtun.»
«Dieser Satz hat mich sehr verletzt», sagt Piatti. Auf Anfrage des Beobachters schreibt Gemeinderat Brunner: «Die (falsche) Aussage [...] weisen wir mit aller Entschiedenheit zurück.»
Piatti versuchte, sich selbst zu verteidigen. «Ich habe viele Briefe geschrieben, alles in der Nacht, mit Tränen in den Augen», schildert sie die schwierige Zeit.
Doch es nützte nichts. Wegen der Betreibung sind die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nicht mehr erfüllt. Rita Piatti zog das Gesuch auf Empfehlung der Gemeinde zurück.