Tankstellenverkäuferin Sonja B. (64) wurde zweimal überfallen
«Es machte mich so wütend – weil ich ja selber nicht viel habe»

Zweimal wurde Tankstellenverkäuferin Sonja B. in einem kleinen Shop in Embrach ZH überfallen. Sie spricht über die Wunden, die die Täter hinterliessen.
Publiziert: 05.07.2021 um 10:06 Uhr
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Die inzwischen pensionierte Tankstellen-Verkäuferin Sonja B.* (64) wurde zweimal überfallen.
Foto: Céline Trachsel
Céline Trachsel

Seit einem halben Jahr ist Sonja B.* (64) pensioniert. Vorher hat die Zürcher Unterländerin fast jeden Abend im BP-Tankstellenshop in Embrach ZH gestanden und Kunden bedient.

Die kleine Tankstelle wurde in den letzten zehn Jahren viermal überfallen. Zweimal traf es sie. «Beim ersten Mal stand ich vor dem Shop und der Mann kam auf mich zu. Ich schrie und rannte weg – ich habe alles anders gemacht, als man es lernt.» Immerhin: Der Täter musste ohne Beute fliehen.

Beim zweiten Mal befand sich Sonja B. aber im kleinen, engen Shop. «Der Mann kam maskiert und ich dachte mir noch, ich kenne diese Stimme. Er zeigte mir ein Messer und liess es schnell wieder in der Tasche verschwinden.» Mehrmals habe sich der Täter bei ihr entschuldigt. «Er sagte, es tue ihm leid, er wolle mir nichts tun, aber er brauche die Kohle.»

«Man ist total hilflos»

Sie sei in einem Schockzustand gewesen. «Ich fühlte mich so ausgeliefert. Dieses Gefühl – auf das kann man in keiner Schulung vorbereitet werden. Man ist total hilflos. Der Täter setzte mich einfach so schachmatt.» Und: «Ich war in diesem Moment sehr wütend auf den Mann. Ich dachte mir: Ich habe selber ja auch nicht viel, und dann kommst du einfach, setzt mich unter Druck und nimmst einfach Geld, das dir nicht gehört. Und entschuldigst dich noch!» Sie ist sich sicher: «Er wusste genau, was er anstellt.»

Nach dem zweiten Überfall habe sie sich oft gefürchtet. Im Shop schloss sie ab 20 Uhr die Tür ab und musste sie dann für jeden Kunden einzeln öffnen. Aber so sah sie wenigstens, wer draussen stand. «Und auch sonst litt mein Sicherheitsgefühl.» Denn wie sie später erfuhr, hatte der Täter wohl lange im Busch gelauert und sie im Shop beobachtet, um genau den Moment zu erwischen, in dem sie alleine war: «Das ist zusätzlich beängstigend.»

Angst, dass Räuber als Kunde zurückkommt

Ihre Tante, die ebenfalls mal überfallen wurde, spüre bis heute immer wieder die Hand des Täters an ihrem Hals. «Wenn man einmal Gewalt am eigenen Leib spürt – dieses Bedrohliche, das bleibt fürs Leben», sagt die Ex-Verkäuferin.

Sie selber sei wieder arbeiten gegangen, weil sie halt musste. Im Kopf spielten die Überfälle auch unterbewusst immer eine Rolle: «Das Schlimmste war, dass ich dachte, ich kenne den Mann. Ich war mir nie sicher, ob ich ihn eben gerade bedient hatte.»

Auch wenn sie Menschen mit schwarzen Atemschutzmasken und Sonnenbrillen sieht, kommen die schlimmen Erinnerungen jedes Mal wieder hoch: «Ich könnte heute so oder so nicht mehr arbeiten!»

* Name geändert

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