Das Rätsel um die Brandserie in Elgg ist gelöst. Vergangenen Sonntag konnte die Zürcher Kantonspolizei die mutmassliche Feuerteufelin Tamara P.* (44) festnehmen. Wie eine Bekannte aussagte, soll P. bereits zuvor psychische Probleme gehabt haben.
Sie ist bereits die zweite Brandstifterin, die in Elgg in Unwesen treibt. Schnell wurden bei den Bewohnerinnen und Bewohner die Erinnerungen an eine Brandserie vor zehn Jahren wach. Damals wurde ein Feuerwehrmann verhaftet.
Der grosse Unterschied zur jetzigen Serie: Dieses Mal handelt es sich um eine Täterin, was sogar den forensischen Psychiater Thomas Knecht überrascht, wie er auf Anfrage von Blick erklärt. Bis 2023 war er Leiter der Fachstelle für Psychiatrie und Psychotherapie am Psychiatrischen Zentrum Appenzell Ausserrhoden in Herisau.
«Früher waren es aber auch junge Mädchen»
Besonders auffällig für den Experten: Während Tamara P. verhaftet wurde, konnte die Polizei Basel-Landschaft ebenfalls eine Feuerteufelin (47) in Anwil festnehmen. Sie soll ein Gartenhaus in Brand gesteckt haben. Die Hütte wurde dabei komplett zerstört.
Dass Frauen zum Feuerteufel werden, ist ungewöhnlich. Normalerweise sind die Brandstifter männlich und jung. Das war aber nicht immer so. «Früher waren es auch junge Mädchen, die als Haushaltskraft weggegeben wurden. Durch das Feuerlegen wollten sie so meist ihre Rückkehr erzwingen. Heute ist es aber so, dass notorische und chronische Brandstifterinnen eher eine Sonderform sind», sagt Thomas Knecht zu Blick.
Rache oder Versicherungssumme kassieren
Bei den Motiven der jeweiligen Täterinnen und Täter werden zwei Arten unterschieden. «Auf der einen Seite gibt es die sogenannte extrinsische Motivation. Dabei geht es bei der Brandstiftung darum, etwas zu erreichen, beispielsweise Rache zu üben oder eine Versicherungssumme abzukassieren.»
Auf der anderen Seite steht die intrinsische Motivation, bei der die Person einen inneren Drang verspürt. «Diese Personen möchten ihre emotionale Staulage abreagieren und loswerden.» Dabei handelt es sich um eine innere Aggression, die sich nicht direkt gegen eine andere Person richtet, sondern an einem unbelebten Objekt ausgelassen wird. Gerade bei der inneren Aggression unterscheiden sich Männer und Frauen nicht. «Nur bei der direkten Aggression fallen meist die Männer verbal oder physisch mehr auf.»
«Meistens handelt es sich dabei um Persönlichkeitsstörungen»
90 Prozent der Fälle, in denen die Täterinnen und Täter aus innerem Antrieb agieren, zeigen psychische Auffälligkeiten. Rund ein Drittel dieser 90 Prozent weist eine gröbere Störung auf, die psychiatrische Behandlung braucht. Knecht zu Blick: «Meistens handelt es sich dabei um Persönlichkeitsstörungen. Darunter fallen die dissozialen und auch die emotional instabilen, wie die Borderline-Erkrankung, die besonders durch impulsive Handlungsweisen gekennzeichnet ist und vor allem bei Brandstifterinnen vorkommt.»
Bei Männern ist oft Sucht ein wichtiges Thema. Alkohol vor der Tat führe meist ebenfalls zu impulsiven Handlungen. «In einigen Fällen ist auch von einem sogenannten Pyromanen die Rede. Besonders, wenn es sich um Brandserien handelt. Diese agieren ebenfalls aus einem inneren Drang, begleitet von einem Lustgefühl», so Knecht weiter. Pyromanen beginnen oft mit kleinen Dingen und steigern sich dann immer weiter, sofern sie unentdeckt ihre Serie fortführen können.
«Mit dem Umgang von Feuer bewandert»
Ob sich die Täterinnen und Täter ihrer Taten auch bewusst sind, lasse sich so pauschal aber nicht beantworten. «Durchaus gibt es auch Brandstifter und Brandstifterinnen mit einer geistigen Behinderung, die eventuell die Folgen nicht ganz abschätzen können.» In einer psychiatrischen Untersuchung wird deshalb das geistige Niveau der Täterschaft ermittelt und so abgeschätzt, ob sich die Person der Folgen bewusst ist.
«Meistens ist es jedoch so, dass die Täter und Täterinnen mit dem Umgang von Feuer bewandert sind und auch ein gewisses Geschick mitbringen. Von dem her sind sich die meisten durchaus ihrer Taten und deren Folgen bewusst.»
* Name geändert