Schon wieder brennt es in Elgg ZH. In der Nacht von Montag auf Dienstag brannte es zum zweiten Mal innert kürzester Zeit: Ein Schopf wurde in der Nacht Raub der Flammen. Erst Mitte März hatte ein Brand im Dorfkern einen Millionenschaden angerichtet.
Böse Erinnerungen werden wach. Denn die Gemeinde mit rund 5000 Einwohnern hat eine leidvolle Geschichte mit dem Feuer. 1876 zerstörte ein Grossbrand das halbe Städtchen – 42 Wohnhäuser und 47 Wirtschaftsgebäude. Und in den Jahren 2010 und 2011 erschütterte eine Serie mit über 30 Bränden die Elgger. Ein freiwilliger Feuerwehrmann gab 2013 vor Gericht dann 19 Brandstiftungen zu.
«Ich hörte die Sirenen, dann stand ich auf», sagt Katrin Grossenbacher (58) am Dienstag. Elgg habe genau gleich ausgesehen wie exakt einen Monat zuvor. Ein Haus mitten im Dorf stand im Vollbrand. «Es war taghell», so die Elggerin. Und weiter: «Ich bin noch immer aufgewühlt. Falls ein Mensch das Feuer gelegt hat, hat er Leben aufs Spiel gesetzt.» Grossenbacher hat auch das vorletzte Feuer vor einem Monat hautnah miterlebt. Sie wohnt in einem Haus in der Hinterbergstrasse, dessen Nachbarhaus bis auf die Grundmauern abgebrannt war.
Im Zeichen des Feuers
Der Brand von vor einem Monat und der in der Nacht auf Dienstag liegen nur eine Hausreihe auseinander. Spaziert man um die historische Häuserreihe an der Hinterbergstrasse, trifft man jetzt schon auf zwei grosse Brandruinen.
«Die Hälfte unserer Wohnung ist noch nicht bewohnbar, wir sind trotzdem in unser Heim zurückgekehrt», sagt Katrin Grossenbacher. Als sie vor dem neuen Brandplatz steht, schaut sie ungläubig auf die schwarzen Balken. «Es ist ein nicht endender Alptraum.»
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Auch die Nachbarin Colleen Hottinger (59) hat der Brand stark getroffen. Sie sagt: «Vor einem Monat hatte es bei uns gebrannt, ich fühlte mich gleich wieder in die Situation zurückversetzt. Ich zitterte wieder.» Auch sie hat Angst, dass es in Elgg wieder brennen wird.
Bevölkerung ist verunsichert
Die Gemeindepräsidentin Ruth Büchi (62) will noch nicht an eine neue Serie glauben. «Aber mein erster Gedanke war auch – nicht schon wieder!», sagt sie. «Ich spüre bei der Bevölkerung eine Verunsicherung, dass es wieder so ist, wie vor 10 Jahren. Ich hoffe, dass niemand zu Unrecht verdächtigt wird.»
Eine ältere Frau und ihr Sohn wurden letzte Nacht bereits zum zweiten Mal innert Monatsfrist evakuiert. Am 16. März mussten sie aus einem Wohnhaus flüchten und anschliessend ausziehen. Sie bezogen danach ein Haus gleich neben dem neuen Brand. «Ich wachte auf, weil die Flammen die ganze Umgebung hell erleuchteten. Es hatte Rauch und war heiss. Funken flogen quer über unser Haus», erzählt sie. «Die Feuerwehr holte uns. Wir nahmen den Hund, dann sind wir nur noch gerannt. Wir konnten wie letztes Mal in das Restaurant Obertor, obwohl es Nacht war.»
Gebrannt hatte dieses Mal eine Schüür, die weit über 200 Jahre alt ist. «Sie ist im Perimeter der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung», sagt Martin Killias, Präsident des Zürcher Heimatschutzes. «Für das Haus gilt ein Abbruchverbot», sagt der ehemalige St. Galler Professor. «Sowohl dieses Haus, als auch das im letzten Monat abgebrannte Gebäude müssen angemessen rekonstruiert werden. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass sich eine Sanierung durch Feuer lohnt.»
Ungewissheit ist schrecklich
Eine weitere Nachbarin sagt zu Blick, dass sie zwar gerne in dem alten Ortskern wohnt. «Aber jetzt sehne ich mich nach einem Haus aus solidem, feuerfestem Beton. Wenn in unserer Häuserreihe ein Haus brennt, sind alle in Gefahr.» Auch sie glaubt, dass das Feuer gelegt worden ist. «Es wären zu viele Zufälle auf einmal. Neben dem gleichen Tag im Monat sind es beides alte und unbewohnte Häuser im Dorfkern. Elgg sucht jetzt wieder einen Brandstifter. Die Ungewissheit ist schrecklich.»
Nach einem guten Dutzend Gesprächen mit Anwohnern wird klar: Elgg glaubt nicht an eine Pechsträhne. «Je schneller die Poizei den Brandstifter schnappt, desto besser – ich werde am 16. Mai Wache halten», sagt ein unmittelbarer Nachbar des Brandherdes. «Und zum ersten Mal seit 10 Jahren werde ich meine Schüür abschliessen.»