Die Beiss-Attacke in Adlikon ZH beschäftigt auch den Hunde & Angst-Coach Oliver Weber (52). Der Baselbieter arbeitet als Verhaltensexperte für auffällige Hunde und trainiert Kinder und deren Angehörige nach Beiss-Angriffen. Er selbst wurde im Alter von fünf Jahren gebissen.
Zu Blick sagt Weber: «Der aktuelle Vorfall ist besonders tragisch.» Vor allem der Background der Familie lasse ihn und das Team nicht kalt. «Sie sind aus Syrien geflüchtet, haben hier Schutz gesucht und müssen jetzt einen unnötigen Angriff verarbeiten.»
Weshalb Hunde zubeissen, sei unterschiedlich. Laut Weber meistens durch Missverständnisse. «Das Umfeld des Hundes kann dessen Körpersprache nicht lesen.»
Hier betont Weber: «Ob ein Hund zubeisst, ist nicht an der Rasse festzumachen!»
Richtigen Umgang lernen
Dass es zum Vorfall in Adlikon ZH kam, sei nachvollziehbar: «Die neuen Halter haben die Gefahr, die vom neuen Hund ausging, nicht richtig eingeschätzt und ihn nicht ausreichend gesichert.»
Für solide sozialisierte Hunde seien spielende Kinder – wie im Fall von Adlikon ZH – kein Problem, so Weber. «Die können die Geräusche und Bewegungen einordnen.» Bei Hunden, die durch eine ungenügende Sozialisierung nicht an Menschen – insbesondere Kinder – gewöhnt sind, könnte jedoch der Jagdinstinkt oder der Schutz- und Wachtrieb unbewusst geweckt werden.
Hier sieht Weber auch Eltern in der Pflicht: «Kindern muss der sichere Umgang mit fremden, aber auch bekannten Hunden altersgerecht beigebracht werden.» Die erste Regel: «Nähere dich keinem fremden Hund, ohne den Halter vorher zu fragen!» Auch sollte gemeinsam angeschaut werden, wie das richtige Verhalten bei Angriffen aussieht.
Rasche Behandlung
Kommt es doch zu einer Beiss-Attacke, werden laut Weber die seelischen Narben von erstbehandelnden Medizinern oftmals aus Zeitgründen vernachlässigt. «Dabei können die Folgen tiefgreifend und langwierig sein.» Von auf Distanz gehen und Albträumen über Angst und Panikattacken bis hin zu einem lebenslangen Trauma sei alles möglich.
«Deshalb braucht es erfahrene Angst-Experten, die den Betroffenen aus diesem Leid helfen», so Weber. Seinen Patienten erkläre er in einem ersten Schritt altersgerecht, wie Hunde funktionieren. «So verstehen sie, warum es überhaupt so weit gekommen ist.»
Weiter gebe er ihnen hilfreiche, praktische Werkzeuge zur Hand. «Sie lernen, Hunde zu lesen, aber auch, sich selbst zu kontrollieren.» Schliesslich werden die Patienten immer wieder unter Führung und Begleitung in Angst-Expositionen mit Therapiehunden gebracht – bis sie erkennen: Da passiert nichts.
Laut Weber sollte rasch mit der Aufarbeitung nach einem Vorfall begonnen werden. «Je mehr Zeit verstreicht, desto schwerer sind Betroffene therapierbar. Auch, weil sie danach meistens weitere negative Erfahrungen machen. Hunde spüren die innere Anspannung bei Menschen.»