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78 Tamedia-Frauen protestieren gegen Diskriminierung
«Da schreit ein Kind, habe ich das mit dir gezeugt?»

Bei Tamedia herrsche eine von Männern geprägte Betriebskultur, heisst es in einem offenen Brief. 78 Mitarbeiterinnen des Verlagshauses setzen sich dafür ein, im Betrieb weniger lächerlich gemacht und mit mehr Respekt behandelt zu werden.
Publiziert: 07.03.2021 um 17:12 Uhr
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Aktualisiert: 08.03.2021 um 14:38 Uhr
Offener Brief der Tamedia-Frauen auf Google Docs.
Foto: Screenshot BLICK

Bei Tamedia werden Frauen «ausgebremst, zurechtgewiesen und schlechter entlohnt» als Männer. Das schrieben 78-Tamedia-Journalistinnen in einem Brief an Chefredaktion und Geschäftsleitung. Das Schreiben ist auf Google Docs zu finden.

An Sitzungen kämen Frauen weniger zu Wort, ihre Vorschläge würden nicht ernst genommen oder lächerlich gemacht, heisst es in dem am Wochenende auf Twitter veröffentlichten Brief. Es herrsche eine von Männern geprägte Betriebskultur.

Bis heute finden Kollegen es lustig, Sätze zu sagen wie: «Da bei dir im Hintergrund schreit ein Kind, habe ich das mit dir gezeugt?»

Als weitere Beispiele für Sprüche nennen die Frauen:

  • «Ich wette, du bekommst viel mehr Infos, allein weil du so eine Abwechslung bist zu uns Anzugträgern.» (Männlicher Kollege zu einer Frau, Rock tragend, kurz vor einem Medienapéro in der Finanzbranche)

  • «Du sollst es nicht anders machen als die Männer. Du musst es besser machen.»

  • «Man könnte meinen, dass wir unsere Leute wegen ihres Aussehens anstellen.»

  • Reaktion eines Vorgesetzten, nachdem sich mehrere Männer in einem Arbeits-Chat sexistisch über mich ausgelassen hatten: «Wichtig ist, dass du jetzt einfach deswegen deine Motivation nicht verlierst.»

  • «XY ist halt so, ein harter Journalist. Von ihm kannst du noch viel lernen.»

  • Chef: «Du bist einfach zu nett. Da wirst du dich nie durchsetzen können bei all den männlichen Kollegen.»

  • Als jemand das Thema Gendersternchen vorschlug, hiess es erst, es sei schon genug «Klamauk» zum Thema gemacht worden. Das richtete sich nicht per se gegen eine Frau, aber gegen die Art des gendergerechten, integrierenden Schreibens.

  • Bei einem Text, der ausschliesslich von der Perspektive junger Frauen handelte, sagte der ältere Vorgesetzte: «Es ist falsch, was du schreibst.»

«Erwarten, dass Beleidigungen aufhören»

Männer seien auf den Redaktionen in der Überzahl und besetzten fast alle Schlüsselpositionen. Männer würden aufsteigen und Frauen übergangen. Die Probleme seien strukturell.

Die Unterzeichnerinnen des Briefes fordern sofortige Massnahmen, damit sich ihre Lage verbessert. «Wir erwarten, dass die Beleidigungen und Beschimpfungen aufhören; wir erwarten, mit Anstand und Respekt behandelt zu werden», schrieben sie.

Offenbar sieht auch die Chefredaktion einen Handlungsbedarf. Tamedia-Chefredaktor Arthur Rutishauser erklärte am Sonntag gegenüber persoenlich.com: «Wir sind uns bewusst, dass die bisherigen Massnahmen zur Steigerung des Frauenanteils in den Redaktionen und insbesondere in Führungspositionen nicht ausreichen und es Zeit für eine verbindliche Strategie ist.» (SDA/bö)

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