13 Tage lang ist der junge Straftäter Brian – bekannt geworden als «Carlos» – in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich ans Bett fixiert gewesen: Eine andere Möglichkeit habe es nicht gegeben, sagten drei Fachärzte am Donnerstag vor dem Zürcher Obergericht. Brians Verteidiger glaubt dies nicht und fordert ein neues Gutachten.
Die Staatsanwaltschaft hatte drei Psychiatern Freiheitsberaubung beziehungsweise Gehilfenschaft dazu vorgeworfen. Das Bezirksgericht sprach sie im August 2020 frei. Diesen Freispruch ficht Brian nun an: «Es gab keinen Grund, mich zu fixieren», sagte er, der am Obergericht von sieben Polizisten begleitet wurde. «Ich habe niemanden bedroht, ich war nicht gewalttätig.»
Lockerungen schon früher?
Gehöre es in eine Klinik, dass ein 16-Jähriger während 13 Tagen mit einer Sieben-Punkt-Fixierung an ein Bett gefesselt werde, fragte dessen Anwalt rhetorisch. Aus den Gesetzen und Richtlinien ergebe sich, dass eine Fixation nur Stunden dauern sollte. Und angesichts des Alters seines Mandanten hätte den Fachärzten von Beginn an klar sein müssen, dass das Vorgehen nicht gerechtfertigt gewesen sei.
Je länger die Massnahme dauerte, desto intensiver hätten zumindest Lockerungen ins Auge gefasst werden müssen, führte der Anwalt weiter aus. Spätestens als nach neun Tagen unter Begleitung der Polizei einstündige Spaziergänge möglich und problemlos durchgeführt werden konnten, hätten sich Handlungsalternativen aufgedrängt.
Abschiedsbrief verfasst
Dies sehen die beschuldigten Fachärzte anders: Als Brian im September 2011 in die Psychiatrische Universitätsklinik eingeliefert wurde, gingen sie Ärzte von einer akuten Selbstgefährdung aus. Er hatte in der Nacht zuvor in seiner Gefängniszelle unter anderem eine Akne-Lösung und Shampoo getrunken und einen Abschiedsbrief verfasst.
Von einer zwei Tage dauernden Einweisung im Juli 2011, nach einem ersten Suizidversuch, war Brian dem Personal bereits bekannt; damals hatte er in einem Isolierzimmer mit grosser Wucht auf die Türe eingeschlagen. «Wir befürchteten, dass die Türe verkantet und sich nicht mehr öffnen lässt», hielt der Arzt fest. Das sei gefährlich.
Der Patient könnte sich etwas antun, ohne dass das Personal eingreifen könnte. Deshalb sei damals die Polizei gerufen worden, und ein Einsatzkommando habe Brian dann überwältigt und fixiert.
Bezirksgericht sah Massnahmen als «verhältnismässig» an
Bei der zweiten Einweisung in die Universitätsklinik sei der 16-Jährige «aggressiv und nicht nahbar» gewesen, sagte ein Facharzt. «Es gab für uns keine Zweifel, dass eine akute, schwere Selbst- und Fremdgefährdung besteht.»
Mehr zum Fall Brian
Sie hätten gehofft, dass sich der Patient - wie beim ersten Mal - rasch von der Gefährdung distanziere. Das sei aber nicht der Fall gewesen, sie hätten keinen Kontakt zu Brian herstellen können, sagten alle drei Beschuldigten. Eine andere Möglichkeit als das Festbinden habe es nicht gegeben.
Das Bezirksgericht hatte die Massnahmen deshalb als verhältnismässig taxiert. Dabei habe es sich aber auf die Aussagen der Beteiligten abgestützt, kritisierte Brians Anwalt. Er forderte am Donnerstag deshalb, dass nun zunächst ein Fachgutachten erstellt werden soll.
Zeitpunkt des Urteils noch unklar
Denn bei der zweiten Einweisung sei sein Mandant deutlich kooperativer gewesen als bei der ersten, von aggressivem Verhalten und einer Fremdgefährdung sei in den Klinikunterlagen keine Rede. Das Gutachten soll deshalb unter anderem darüber Auskunft geben, ob die sofort angeordnete Fixation wirklich notwendig gewesen sei.
Ob das Obergericht noch am Donnerstag über die Frage eines neuen Gutachtens entscheiden und ein Urteil fällen wird, ist noch nicht bekannt. Es stehen derzeit noch die drei Plädoyers der beschuldigten Fachärzte aus. (zis/SDA)