Für die Zünfte und Gesellschaften, die am Sechseläuten-Umzug zu sehen sind, beginnt das Fest bereits am Wochenende zuvor. Ein Highlight sind dabei die exklusiven Zunftbälle, bei denen stets geschlossene Gesellschaft herrscht. Nur Zünfter, ihre Frauen und geladene Gäste sind willkommen.
Was an den Bällen passiert, soll auch an den Bällen bleiben. Wie ein geleaktes Video, das dem «Tages-Anzeiger» vorliegt, nun beweist, gibt es dafür auch gute Gründe. Die Aufnahmen zeigen, wie sich Zünfter an einer solchen Veranstaltung über Minderheiten lustig gemacht haben. Passiert sei es am vergangenen Samstag am «Ball beim Böögg», an dem auch Wirtschaftsgrössen oder Verwaltungsräte, unter anderen Swiss-Life-Präsident Rolf Dörig (65), eingeladen waren.
Man wolle sich von niemandem zensieren lassen
Demnach habe während eines dreiviertelstündigen Showblocks ein Mann mit Kraushaarperücke und schwarz angemaltem Gesicht die Bühne betreten. Zudem habe er einen Bastrock getragen und sei mit einem grossen Knochen ausgerüstet gewesen.
Damit wurde an diesem Auftritt sogenanntes Blackfacing betrieben. In der Fachsprache ist von dieser Praxis die Rede, wenn sich weisse Menschen das Gesicht schwarz anmalen. Kritisiert wird, dass sich privilegierte Personen dabei über eine Gruppe lustig machen, die in der Gesellschaft Diskriminierung erfahren hat und noch erfährt.
Neben dem geschminkten Mann sind auf den Aufnahmen auch ein als Frau verkleideter Mann mit blonder Perücke und eine Frau, die Federschmuck trägt, zu sehen. Wie die Zeitung weiter schreibt, laute die Botschaft der Showeinlage, dass man sich von niemandem zensieren lassen wolle.
Gelächter ertönt im Saal
Um das zu veranschaulichen, machen die Darsteller eine Rückblende ins Jahr 2018. «Die Zensurbehörde der Stadt Zürich hat die Episode damals verboten, weil sie fand, sie sei in höchstem Mass unkorrekt», sagt der Mann in Frauenkleidern zum Publikum. Daraufhin ertönt Gelächter im Saal. «Weil wir hier aber in einer geschlossenen Gesellschaft sind, sollten Sie sich besser selbst ein Bild machen.»
Daraufhin wird ein Clip abgespielt, in dem die gleiche schwarz angemalte Person mit Bastrock und Perücke zu erkennen ist – nur fünf Jahre zuvor. Dann taucht ein Mann in einem regenbogenfarbigen Hemd auf der Bildfläche auf – er soll einen Homosexuellen darstellen. Als Drittes ist eine als Sexarbeiterin verkleidete Frau mit portugiesischem Dialekt zu sehen. Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, schienen sich die Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal köstlich zu amüsieren. Es ertönt erneut Gelächter im Saal.
«Ball beim Böögg» habe nichts mit Sechseläuten zu tun
Wie das Zentralkomitee der Zürcher Zünfte auf Anfrage des «Tages-Anzeigers» mitteilt, habe der «Ball beim Böögg» nichts mit der Organisation des Sechseläutens zu tun. Die Veranstalter des «Balls beim Böögg» haben auf eine Stellungnahme zur Produktion am Zunftball verzichtet.
In den vergangenen Monaten ist es in der Öffentlichkeit vermehrt zu Diskussionen über kulturelle Aneignung gekommen. So sind unter anderem Mohrenköpfe, Winnetou-Glacé oder politisch inkorrekte Fasnachtskostüme in Verruf geraten. (dzc)