Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts hat den als «Emir von Winterthur» bekannt gewordenen Unterstützer des Islamischen Staats (IS) zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 36 Monaten verurteilt. Die Strafe fällt damit weniger schwer aus, als jene durch die Strafkammer. Diese hatte den Winterthurer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 50 Monaten verurteilt.
Die Berufungskammer hat die Berufung von S.* (35) jedoch in weiten Teilen abgewiesen. Der Winterthurer muss die Hälfte der Freiheitsstrafe tatsächlich verbüssen, wobei er bereits rund ein Jahr in Untersuchungshaft verbracht hat und ihm nach der Freilassung verschiedene Massnahmen auferlegt wurden.
Nur Wacheinsätze sind nachgewiesen
Die Berufungskammer hält es für erwiesen, dass S. Ende 2013 nach Syrien reiste, um die Terrormiliz zu unterstützen. Konkret seien jedoch nur einige Wacheinsätze nachgewiesen und keine Kampfhandlungen, schreibt das Gericht in einer Medienmitteilung vom Montag.
Der 35-Jährige sei zudem vorzeitig wieder in die Schweiz zurückgereist. Schwerer wog laut Gericht die Indoktrination und Rekrutierung Jugendlicher und junger Erwachsener, die anschliessend in das Kampfgebiet in Syrien ausreisten.
Gewalt-Video nicht heruntergeladen
Freigesprochen wurde der Beschuldigte vom Vorwurf des Besitzes von Gewaltdarstellungen. Laut Medienmitteilung der Berufungskammer hat sich das in der Strafuntersuchung entdeckte Video im Cache des Mobiltelefons des Winterthurers befunden. Dieser habe es nicht aktiv heruntergeladen und habe somit keinen für die Erfüllung des Tatbestands notwendigen Besitzwillen gehabt.
Nicht gefolgt ist das Gericht dem Antrag der Bundesanwaltschaft (BA), den Beschuldigten wegen Beteiligung und nicht lediglich wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation zu verurteilen. Die BA hatte im Berufungsprozess eine Freiheitsstrafe von 55 Monaten beantragt. Der Verteidiger der Winterthurers plädierte auf Freispruch.
Posttraumatische Belastungsstörung
In der Berufungsverhandlung im November bezeichnete sich der 35-Jährige als einen ehemaligen IS-Sympathisanten. Es sei ein Fehler gewesen und habe sein Leben zerstört. Seine Deradikalisierung habe er selbst erreicht, nachdem ihm klar geworden sei, was der IS tatsächlich mache.
Bisher hat der Winterthurer noch nicht wieder Fuss gefasst in der Arbeitswelt. Wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung ist S. arbeitsunfähig. Die Erkrankung wurde von einem unabhängigen Arzt bestätigt. Ursache der Störung soll die fast einjährige Untersuchungshaft sein.
Er lebt von der Sozialhilfe
Die bisherige Jobsuche scheiterte laut den Schilderungen von S. anlässlich des Prozesses unabhängig von seinem Gesundheitszustand. Mögliche Arbeitgeber wollten nicht in Zusammenhang mit dem IS gebracht werden. Der Winterthurer lebt von Sozialhilfe.
Von seiner Ehefrau hat er sich gerichtlich getrennt. Die gemeinsame Tochter ist in der Obhut der Mutter. Von seiner nach islamischem Recht geheirateten Zweitfrau hat er sich geschieden. Diese Frau und das gemeinsame Kind – ebenfalls ein Mädchen – leben unterdessen in Deutschland.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Die neue Freundin des Angeklagten verfolgte den Berufungsprozess vor Ort mit. Gemäss Aussagen des 35-Jährigen ist sie eine gläubige Christin. Sie habe jedoch in eine Heirat nach islamischem Recht eingewilligt, weil dies für sie ohne Bedeutung sei. Nur so erlaube seine frühere Zweitfrau, dass er seine Tochter weiter sehen könne.
Das Urteil der Berufungskammer ist noch nicht rechtskräftig und kann ans Bundesgericht weitergezogen werden. (SDA/noo)
*Name der Redaktion bekannt