Auf einen Blick
Das Inserat in der «NZZ» machte den Zürcher Rentner hellhörig. «Alte oder antike Orientteppiche erleben derzeit gerade ein Comeback», versprach die Zürcher Firma International Art Auctions. Ein «Spitzenstück» löse an internationalen Auktionen «zwischen 20’000 und 200’000 Franken».
Der Rentner aus der Stadt Zürich hatte einen geerbten Orientteppich an der Wand. «Der wurde immer als wertvoll bezeichnet», sagt er zum Beobachter. Wie wertvoll, habe er aber nie gewusst.
Geschäftsführer lockt mit hohem Gewinn
Er rief deshalb die Firma an, die sich im «NZZ»-Inserat als ein «renommiertes Unternehmen» anpries, das «weltweit alte Orientteppiche zu Spitzenpreisen versteigert». Der Geschäftsführer kam zu ihm nach Hause und sagte, der antike Orientteppich sei rund 40’000 Franken wert. Das bescheinigte er schriftlich.
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Doch dann kam der Haken: «Um diesen Preis in einer internationalen Auktion zu lösen, müsse der Teppich in tadellosem Zustand sein, sagte mir der Geschäftsführer.» Dafür brauche es eine Reparatur mit antiken Ersatzteilen. Kostenpunkt: 6746 Franken.
Der horrende Betrag setzt sich laut Rechnung zusammen aus: Wäsche «antik», Imprägnierung, Mottenschutz, Fransen befestigen und erneuern. Die 6746 Franken sollte der Rentner auf das private Postfinance-Konto des Geschäftsführers überweisen. Den Zürcher Rentner überkam dann aber ein schlechtes Gefühl. Er bezahlte die Rechnung nicht und erhielt seinen Teppich mit der Hilfe eines Anwalts zurück.
Marktpreis liegt bei 1082 Franken
Den Teppichexperten Bruno Meier erstaunt die Geschichte nicht. Meier war 16 Jahre lang Präsident der Interessengemeinschaft Orientteppich (Igot) und amtet häufig als Gerichtsgutachter. Er wird immer wieder von Behörden engagiert, wenn Rentnerinnen und Rentner viel Geld gezahlt haben, um einen angeblich sehr wertvollen Teppich zu restaurieren.
«Die Nachfrage nach alten, gebrauchten Orientteppichen ist kaum mehr vorhanden», sagt Meier. Das zeigen Marktdaten: Das seriöse Zürcher Auktionshaus Schuler blieb im September auf fast der Hälfte der 74 antiken Teppiche sitzen. Die verkauften Exemplare lösten im Durchschnitt einen Preis von 1082 Franken.
Zwei Orientteppiche der Auktion waren vergleichbar mit demjenigen des Zürcher Rentners. Das Auktionshaus Schuler schätzte sie im Katalog auf 400 bis 600 Franken. Doch nicht einmal zu diesem Tiefpreis wollte sie jemand kaufen.
Wichtig dabei: Bei den Zürcher Schuler-Auktionen kann jeweils gleichzeitig die ganze Welt online mitbieten über globale Versteigerungsplattformen. Die erzielten Preise zeigen also auch die tiefe Nachfrage auf dem internationalen Markt.
Gutachter über Teppich: «Morsch, brüchig, rissig»
Experte Meier hat den Teppich des Zürcher Rentners begutachtet. Er nennt ihn «ein antikes Original mit ausgeprägten und markanten Schäden». Beide Fransenseiten sowie das Grundgewebe seien «morsch, brüchig und rissig». Die Fäserchen auf der Teppichoberfläche seien «bis auf das Grundgewebe abgetreten». Der Teppich sei in einem so schlechten Zustand, dass er fast nur noch einen emotionalen Wert habe.
Firma behauptet, Preise seien im Ausland höher
Der Geschäftsführer der International Art Auctions GmbH sagt, seine Firma bausche den Wert der Teppiche nicht künstlich auf, um teure Restaurationen in Rechnung zu stellen. Die Preise für solche Teppiche lägen im Ausland viel höher als in der Schweiz, deshalb versteigere man in Dubai und London. Sein Privatkonto habe er nur angegeben, weil «unsere Schweizer Kontoverbindung zu diesem Zeitpunkt auf eine andere Bank umgestellt» worden sei.