Der Bundesrat läutete am Dienstag die grosse Corona-Alarmglocke und zog ein neues Testregime auf. Künftig sollen Gymnasien und Berufsschulen zu Reihentests verpflichtet werden. Auch Betriebe sollen öfter testen, die Zertifikatspflicht soll ausgeweitet werden. Und nicht nur das: Neu sollen PCR-Tests nur noch 48 statt 72 Stunden gültig sein.
Die Labors müssen ihre Kapazitäten also massiv erhöhen, um der grossen Testerei gerecht zu werden. Im Kanton Zürich gehen einige Labors aber bereits jetzt auf dem Zahnfleisch. «Wir verarbeiten momentan ungefähr das Vier- bis Fünffache an Proben wie in normalen Zeiten», sagt Hanspeter Hinrikson, Mikrobiologe und Leiter Laborgemeinschaft 1 (LG 1) zum «Landboten».
25'000 Corona-Tests pro Tag
Und nicht nur die Tests im Zusammenhang mit dem Coronavirus machen dem Laborleiter zu schaffen. Der Herbst sei aufgrund vieler zirkulierender Erreger ohnehin eine harte Zeit für Labors. Die Kapazität sei ausgeschöpft. Mikrobiologe Hinrikson: «Unsere Geräte können nicht mehr Tests verarbeiten. Wir sind deshalb daran, für unseren Standort in Basel neue Maschinen zu beschaffen.» Noch könne man die Proben in der Regel innert 24 Stunden testen. In einzelnen Fällen käme es jedoch bereits zu Verzögerungen.
Ähnlich klingt es auch aus anderen Labors im Kanton, etwa bei Analytica Zürich. Innert 14 Tagen habe sich die Zahl der individuellen PCR-Tests verdoppelt. Der Kanton Zürich vermeldet seit den Schulferien im Herbst beinahe jede Woche neue Test-Rekorde. Vergangene Woche wurden erstmals über 180'000 Tests durchgeführt – das sind rund 25'000 Tests pro Tag.
Hinrikson hält die Testoffensive des Bundes zwar für richtig. Die Frage sei aber, wie das umgesetzt werden soll. «Wer analysiert all die Proben?», stellt sich der Mikrobiologe im «Landboten» die Frage. So seien die Pooltests, wie sie an den Schulen bereits durchgeführt werden, noch planbar. Doch jeder positive Pool führe dazu, dass rund zehn Personen innert kürzester Zeit einzeln getestet werden müssten. Und dieses Tests müssen bekanntlich auch ausgewertet werden.
«Lifestyle»-Testerei nervt Laborangestellte
Eine zusätzliche Belastung für die Laborteams sei auch die sogenannte «Lifestyle»-Testerei. Reisende, die wütende Telefonate tätigen, weil sie sich zu spät haben testen lassen, angedrohte Klagen von Weltenbummlern, die ihren Flug aufgrund eines fehlenden Zertifikats verpassen werden. «Mit Medizin», so Hinrikson, «hat das nichts mehr zu tun.»
Mehr zu den Corona-Tests
Überstunden für das Wohl der Bevölkerung, um die Pandemie zu bewältigen oder einer kranken Person ein Testresultat zu liefern – all das sei für die Mitarbeitenden kein Thema. Aber Überstunden, damit man in den Urlaub oder in den Ausgang kann? Das sei für viele Leute im Business unverständlich, sorgt sich der Laborleiter.
BAG beschwichtigt Test-Angst
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zeigte sich gegenüber dem «Landboten» und im Gegensatz zu den Zürcher Labors entspannt. Denn die Schweizer Labors könnten bis zu 80'000 PCR-Tests verarbeiten – zurzeit seien es landesweit lediglich deren 50'000.
Auch in den Kliniken der Hirslanden-Gruppe, die in mehreren Kantonen Pooltests durchführt, scheinen die Labors noch nicht vollständig ausgelastet. Die gesicherte Testkapazität liege weit über dem aktuellen Volumen.
Währenddessen kämpfen die Mitarbeitenden im Labor LG 1 gegen eine regelrechte Test-Flut. Wer nicht mehr kämpfen mag, wechselt in einen anderen Laborbereich, erklärt Hinrikson besorgt. Das sei für ihn das Schwierigste in der aktuellen Situation: «Dass das Laborpersonal alles ertragen muss. Wir müssen aufpassen, dass wir die Balance nicht verlieren.» (chs)