Zu viele Todesfälle in der Schweiz
Winterthurer Chefarzt erklärt, was dahinter steckt

Dieses Jahr ist die Übersterblichkeit in der Schweiz enorm. Experten stehen vor einem Rätsel. Der Winterthurer Chefarzt Urs Karrer hat allerdings einen Verdacht.
Publiziert: 09.11.2022 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 10.11.2022 um 11:36 Uhr
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Die enorme Übersterblichkeit dieses Jahr wirft Fragen auf. Chefarzt Urs Karrer hat Corona im Verdacht.
Foto: Keystone

Ein beunruhigender Trend zieht sich durch das Jahr 2022: In der Schweiz sterben deutlich mehr Menschen als erwartet. Laut Statistik spielt Corona dabei kaum eine Rolle mehr. Doch die Zahlen könnten täuschen. Gerade Ältere sind betroffen. Von den Personen, die älter als 65 Jahre sind, sind bislang 4500 mehr als erwartet gestorben.

Experten rätseln über die Gründe. Auch Urs Karrer, Chefarzt der medizinischen Poliklinik am Kantonsspital Winterthur, hat darüber nachgedacht. Und er hat einen Verdacht: Hinter dem traurigen Trend könnte Corona stecken. «Epidemiologisch findet sich ein klarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Wellen von starker Virusaktivität gefolgt von Wellen der Übersterblichkeit bei den über 65-Jährigen», sagt Karrer zum «Tages-Anzeiger». Die Hitze sei vielleicht im Sommer ein Faktor, nicht aber im Frühjahr oder Herbst.

Zumal sei gerade bei Älteren das Risiko grösser, an einer Viruserkrankung zu versterben. Das Immunsystem arbeite nicht mehr mit voller Leistung. Auch das Bundesamt für Statistik (BFS) hat Corona im Verdacht. Es könnte sein, dass Covid durchaus die Übersterblichkeit antreibt, insbesondere weil bereits durch anderen Krankheiten geschwächte Personen damit schneller sterben.

Corona ist weiterhin eine Gefahr

Karrer vermutet, dass dies mit der «Pandemiemüdigkeit» zu tun hat. Denn die meisten Menschen würden sich das Ende von Corona wünschen. «Man kann natürlich immer argumentieren, dass ein zeitlicher Zusammenhang noch nichts beweist, auch wenn es repetitiv vorkommt, aber es ist ein grosser Hinweis dafür», erklärt Karrer weiter im «Tages-Anzeiger».

Allerdings sinken die Corona-Zahlen gerade. Das war die letzten zwei Jahre noch anders. Das liege unter anderem daran, dass sich viel weniger Menschen testen lassen würden, vermutet Karrer. Gleichzeitig sei die Impfbereitschaft niedrig.

Aktuell lassen sich etwa 15 Prozent der 60- bis 80-Jährigen nochmals boostern, was eine eher kleine Nachfrage aufzeigt. «Die Pandemie scheint in den Köpfen der Menschen nicht mehr so präsent zu sein, und viele denken fälschlicherweise, dass keinerlei Gefährdung mehr besteht.»

Der Booster wäre aber vor allem kurz vor einer Viruswelle sinnvoll, denn nützen tut die Auffrischimpfung besonders in den ersten paar Monaten. Also jetzt gegen die Wintermonate wäre es laut Karrer insbesondere für Risikogruppen empfehlenswert, damit man die Übersterblichkeit möglicherweise etwas eingrenzen kann. (lrc)

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