Susi V.* (48) soll im April 2020 ihre Mutter Doris M.* (†81) durch Erwürgen und stumpfe Gewalteinwirkung in deren Heim in Meierskappel LU getötet haben.
Nebst der Tötung ihrer Mutter wird Susi V. versuchter Mord vorgeworfen, wie es in der Anklageschrift vom Mittwoch heisst. Im Januar desselben Jahres soll sie einen Vergiftungsanschlag auf ihre Mutter geplant und ausgeführt haben, indem sie Ethylenglykol – ein Frostschutzmittel – in mitgebrachte Kaffeebecher gab.
Mutter wollte Tochter nicht mehr unterstützen
Doris M. überlebte die Vergiftung aufgrund rascher medizinischer Behandlung, erlitt jedoch eine schwere Azidose, ein akutes Nierenversagen, eine Lungenentzündung und mehrere andere Folgeschäden.
Tötungsmotiv ist laut Anklageschrift der Entscheid der Mutter, die langjährige finanzielle Unterstützung der Tochter einzustellen. Die Beschuldigte hätte sich von der Mutter jahrelang kontrolliert und drangsaliert gefühlt.
M.s Verteidiger forderte während der Vorfragen, bestimmte Einvernahmeprotokolle seiner Mandantin aus den Akten zu entfernen. Sie sei mit ihrem früheren Verteidiger in einer Liebesbeziehung gewesen, was eine Interessenbeeinträchtigung darstelle. Es sei während dieser Zeit auf eine ungenügende Verteidigung zu schliessen.
Doris M. kletterte durch ein Fenster ins Haus
Die Staatsanwaltschaft konterte, dass sie darin ebenfalls einen potenziellen Interessenskonflikt erkannt und sofort reagiert habe. Es hätten jedoch keine Zweifel an einer wirksamen Verteidigung bestanden. Eine Streichung der Einvernahmeprotokolle setze eine schwerwiegende Verletzung der anwaltlichen Pflichten voraus. Eine solche liege nicht vor.
Die Beschuldigte bestritt unter Tränen den Vorwurf des versuchten Mordes an ihrer Mutter. Sie habe nicht versucht, ihre Mutter mit einem Frostschutzmittel zu vergiften, erklärte die Frau. Von der Richterin mit den Google-Suchanfragen nach Giften konfrontiert, meinte die Beschuldigte, sie hätte nach Wegen gesucht, sich selbst umzubringen. Sie sei damals psychisch nicht bei sich gewesen.
Am Tag der Tötung sei sie mit der Absicht eines klärenden Gesprächs zu ihrer Mutter gefahren. Der vorgeworfene Vergiftungsanschlag habe für Spannungen zwischen ihr und ihren Kindern gesorgt. Sie habe ihren Sohn – der damals bei der Grossmutter wohnte – unter einem Vorwand aus dem Haus gelockt, um alleine mit ihrer Mutter reden zu können.
Als diese sie nicht einlassen wollte, sei sie durch ein offenes Fenster ins Haus geklettert. Ihre Mutter habe sie daraufhin beschimpft und sie aufgefordert, das Haus zu verlassen. Dies verweigerte die Beschuldigte, da sie den Konflikt klären wollte. An der Treppe hätten sie einander geschubst, woraufhin die Mutter auf den Treppenansatz fiel.
Vorwurf des versuchten Mordes bestritten
Die Beschuldigte zeigte sich teilweise geständig. Sie äusserte, dass die Mutter sie verbal gedemütigt habe. Sie erinnere sich nicht, die Mutter gewürgt und ihren Kopf gegen die Treppe geschlagen zu haben, doch anhand des Obduktionsberichts, müsse es so gewesen sein.
Anschliessend suchte sie im Haus nach einem Kissen, welches sie der Mutter unter den Kopf legen wollte, da diese verletzt war. Doch ihr sei bewusst, dass sie laut Obduktionsbericht das Kissen auf das Gesicht der Mutter gedrückt haben müsse. Sie erinnere sich nur, dass die Mutter einfach nicht habe ruhig sein wollen.
Sie beschrieb ihr Verhältnis zur Mutter als schwierig. Ihre Mutter habe ihr Leben kontrolliert, seit sie klein war. Nach dem Tod des Vaters habe sich die Situation noch zugespitzt. Die Mutter habe einen Hass gegen sie aufgebaut. Immerzu habe diese sie verurteilt und als schlecht dargestellt.
Gegen Ende der Befragung betonte die Beschuldigte, dass sie den Mord nicht geplant habe. Sie habe das nicht gewollt. Daher habe sie, wenn es zu einem Schuldspruch komme, nicht die Maximumstrafe verdient. Den Vorwurf des versuchten Mordes bestritt sie weiter vehement.
Mutter enterbte Tochter
Nach dem Vergiftungsversuch hätte die gut betuchte Mutter die Tochter enterbt und stattdessen ihren Enkel als alleinigen Erben eingesetzt.
Ebenfalls angeklagt ist Barbara Z.* (48), eine Freundin der Hauptbeschuldigten. Ihr wird Begünstigung und Widerhandlung gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Sie soll die Hauptbeschuldigte zum Tatort begleitet und anschliessend willentlich Beweismittel vernichtet haben.
Blick konnte vor dem Prozess mit Barbara Z. sprechen. Sie schilderte, wie Susi V. sie am Tattag im Auto zu ihrer Mutter gefahren habe. Barbara Z. sagt, sie habe draussen beim Auto gewartet. Während Susi V. im Haus gewesen sei, habe sie keinen Streitlärm gehört.
«Sie war übersät mit Blutspritzern»
Nach einer Stunde sei Susi V. wieder herausgekommen. Barbara Z.: «Susi kam in Socken, die Turnschuhe in der Hand. Sie war übersät mit Blutspritzern und sagte, dass ihre Mutter sie zum Fenster hinausgejagt hätte. Dabei sei sie gestürzt und habe Nasenbluten gehabt. Ich sollte mich ans Steuer setzen. Sie zog sich dann im Auto um. Unterwegs hielten wir an, um Schuhe und blutige Kleider zu verbrennen.»
Die Behörde fordert für Barbara Z. eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten und eine Busse. Für Susi V. will die Anklage eine lebenslängliche Freiheitsstrafe sowie eine ambulante Massnahme. Sie sitzt mittlerweile im vorzeitigen Strafvollzug. (SDA/neo/nad)
*Namen geändert