14 Menschen starben an Pfingsten beim Seilbahn-Drama am Monte Mottarone. Nur der kleine Eitan (5) überlebte – Vater, Mutter, Bruder und Urgosseltern nicht.
Marcel Sommerhalder (51) aus Adligenswil LU und seine Mutter Anna (79) aus Luzern kennen das Gefühl, mit einer Seilbahn abzustürzen. Die beiden waren in den Skiferien und sassen am 22. Februar 1979 in der Gondel nach Melchsee-Frutt OW, als diese zu Boden krachte – Mutter und Sohn überlebten schwer verletzt.
Blick berichtet am Tag danach auf der Titelseite von der Tragödie im Kanton Obwalden. Vier Kabinen stürzten ab. Ein Verletzter stirbt einen Tag nach dem Unglück im Spital.
Sohn bricht sich Halswirbel, Mutter verliert Fuss
Wie der kleine Eitan ist auch Marcel Sommerhalder damals noch ein Bub – und mit neun Jahren nur wenig älter als der einzige Überlebende des Mottarone-Horrors. Sommerhalder bricht sich drei Halswirbel. Seine Mutter (damals 36) verliert einen Teil des Unterschenkels und den linken Fuss.
Mit dem Seilbahn-Drama am Lago Maggiore werden auch bei der Rentnerin und ihrem Sohn die traumatischen Erinnerungen an den Tag im Februar 1979 wieder wach. «Auch jene Bilder, die man mittlerweile verdrängt hat», sagt der Bauunternehmer. «Es lief mir kalt den Rücken runter, als ich vom Unglück am Lago Maggiore las.»
Ein schicksalhafter Tag
Auch Mutter Anna Sommerhalder ist der Horror in Melchsee-Frutt vor über 42 Jahren wieder präsent, als sie Blick davon erzählt. Die Emotionen überwältigen sie. Mit zittriger Stimme und Tränen in den Augen erzählt sie, dass sie die Skiabfahrt runter zur Talstation Stöckalp nie mochte. Aber: «Ausgerechnet an diesem Tag fuhr ich auch hinunter. Und beim Rauffahren sind wir abgestürzt.»
Neben den Sommerhalders sass noch eine dritte Person in der Gondel: ein Familienvater, der seine Liebsten überraschen wollte und einen Tag früher hochfuhr als geplant, wie sich Marcel Sommerhalder erinnert. Dieser Mann sei auf den letzten Drücker in die Kabine eingestiegen, die wenig später in die Tiefe donnerte. Er starb später im Spital.
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Nach dem Sturz ist Marcel bewusstlos, bevor er im Schnee wieder erwacht: «Der Querschnittslähmung entkam ich um wenige Millimeter!» Weniger Glück hat Mutter Anna: Ein Teil ihres Beins ist weg. «Ich lag im Schnee und sah, dass mein Fuss samt Skischuh zwei Meter weiter unten war», erinnert sie sich.
Phantomschmerzen erinnern an das Unglück
Der Sohn erklärt: «Die Unfallrekonstruktion ergab, dass unsere Gondel auf den Boden knallte. Das Seil der Seilbahn schnellte wieder hoch. Dann kam es wieder zu Boden. Dabei zerschlug es den Kopf des Familienvaters und trennte meiner Mutter einen Teil des Beins ab.»
Nach dem Unfall verbringt der Junge drei Wochen im Streckbett. Sechs Monate lang trägt er einen Gips. Immerhin: Heute hat er keine körperlichen Beschwerden mehr wegen des Unfalls. Ganz anders Anna Sommerhalder: Seit 42 Jahren trägt sie vom Knie abwärts eine Prothese. «Am schlimmsten sind die Phantomschmerzen.» Dennoch sagt sie trocken: «Lieber Fuss ab als Hand verloren.»
«Er muss jetzt tapfer sein»
Seelisch hat die Tragödie bei beiden Spuren hinterlassen. Daher wissen Mutter und Sohn nur zu gut: «Eitan wird den Vorfall nie vergessen. Er wird ihn das ganze Leben lang begleiten. Es ist brutal. Und natürlich schlimm, dass er seine ganze Familie verloren hat.» Leise sagt die Rentnerin in Gedanken an den kleinen Überlebenden: «Er muss jetzt tapfer sein.»