Vor allem ältere Menschen habe lange Monate in Isolation leben müssen. Gerade für sie «ist die Impfung wie eine Erlösung.» Das sagt Jan Fehr (48), Infektiologe an der Universität Zürich. Die Geimpften würden «Glücksgefühle erleben, vergleichbar mit einer Geburt oder einer Hochzeit». Oft würden Kinder ihre Eltern ins Impfzentrum bringen und müssten wegen der Schutzmassnahmen draussen warten - «bis ihre Eltern mit Freudentränen herauskommen. Es sind sehr rührende Szenen.»
Die Impfung als Erlösung für viele - wie Fehr den Covid-Piks im Gespräch mit der «NZZ am Sonntag» beschreibt: Gerade ältere, am meisten gefährdete Menschen seien verzweifelt gewesen. Hätten in den vergangenen Monaten auch handgeschriebene Briefe unter der Türe des Impfzentrums hindurchgeschoben. Mit der freundlichen Bitte, sie nicht zu vergessen, falls eine Dosis übrig bleibt.
Diese still verzweifelten Menschen seien nicht mit Impfdränglern zu verwechseln, die oftmals aus narzisstischer Verzweiflung handeln und Vorerkrankungen sogar vortäuschen würden, weil sich die Welt nur um sie selbst drehe.
Kurve dürfte im Herbst wieder ansteigen
Die besonders gefährdete Bevölkerungsgruppe der älteren Menschen sei jetzt grösstenteils geimpft, sagt Fehr: «Dann ist das nächste Ziel, eine gewisse Herdenimmunität zu erreichen.» Die Jungen jetzt zu impfen könne sinnvoll sein. Dabei dürfe aber nicht vergessen gehen, dass die Anzahl der Fälle im Herbst wahrscheinlich wieder zunimmt.
Als Gründe führt Fehr Wellenbewegungen der Pandemie an und dass sich die Immunantwort mit der Zeit abschwäche: «Die Zahl der Antikörper geht ein bisschen zurück.» Die Immunantwort sei zwei Wochen nach der zweiten Impfung am stärksten. Fehr geht davon aus, dass Impfungen aufgefrischt werden müssen. Insbesondere bei älteren Menschen und solchen mit sonst schlechter Immunabwehr werde man wohl nachimpfen müssen.
Ob ein dritter Piks auch für die restliche Bevölkerung infrage komme, das wisse er noch nicht: «Aber es ist wahrscheinlich noch die eine oder andere Auffrischimpfung nötig.» (kes)