Wie Pharmafirmen Ärzte vergolden
Pillen, Pulver und Profit

187 Millionen Franken fliessen ­jährlich von der Pharmabranche an ­Ärzte und Spitäler. Wie eng die ­Beziehungen sind, zeigt der Fall eines Klinikleiters.
Publiziert: 03.10.2020 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 05.12.2020 um 15:18 Uhr
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Ärzte und Spitäler lassen sich in grossem Umfang von der Pharmabranche entschädigen.
Foto: imago images/MIS
Sven Ziegler

Kongresse in Luxushotels, grosszügige Beratungshonorare, Spenden in Millionenhöhe: Ärzte und Spitäler lassen sich in grossem Umfang von der Pharma­branche entschädigen. 2019 flossen 187 Millionen Franken von den Pharmafirmen an Spitäler, Ärzte und Gesundheitsorganisationen, wie ein Bericht des Recherche-Netzwerks von Ringier Axel Springer zeigt – so viel wie nie zuvor. Die Geldflüsse der Pharmabranche an die Ärzte und Gesundheitsorganisationen sind legal, vielen Aussenstehenden allerdings erscheinen sie fragwürdig.

Einer von Tausenden, die jährlich insgesamt Millionen von Pharmaherstellern erhalten, ist Erich Sei­fritz (59). Er arbeitet als Klinik­direktor an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und sitzt in drei Verwaltungsräten psychia­trischer Einrichtungen. Recherchen von SonntagsBlick zeigen: Laut Lohntabelle liegt sein Grundgehalt in Klinik und Universität bei mindestens 220'000 Franken im Jahr, seine drei Mandate bringen ihm ­zusätzlich rund 75'000 Franken ein.

65'000 Franken in Beratungshonoraren

Ausserdem lässt sich Seifritz von mehreren Pharmaunternehmen ein Beratungshonorar auszahlen. Rund 65'000 Franken kassierte er letztes Jahr von den grossen Konzernen.

Brisant: 47'000 Franken bezog der Psychiater von den Firmen Janssen und Lundbeck. Deren ­Spezialität sind Psychopharmaka. Ihre Entschädigungen deklarierten sie als «Beratungs- und Dienstleistungshonorare».

Seifritz betont auf Anfrage: «Für jede honorierte Tätigkeit besteht ein Vertrag. Dieser beinhaltet das ‹ Trennungsprinzip › und schliesst explizit eine Vorteilsnahme des Vertragspartners (der Pharma­firma; Red.) aus. Im Vertrag ist auch ­ge­regelt, dass mit der Tätigkeit als Referent oder Berater keinerlei ­Erwartung der Firma hinsichtlich Empfehlung oder Verschreibung von bestimmten Medikamenten verbunden ist.»

Einrichtung streitet Einflussnahme ab

Beide Konzerne überweisen auch Spendengelder an die psychiatrischen Einrichtungen, in denen Seifritz Einsitz in den Verwaltungsräten hat. Dass die Ärzte als Gegenleistung vermehrt Medikamente der spen­dablen Pharmafirmen verschreiben, dementieren die Einrichtungen. Eine der Kliniken teilt mit, bei den Beträgen handle es sich um Subventionen mit dem Ziel, den Teilnehmern von Veranstaltungen vergünstigte Eintrittsgebühren zu gewähren. Pharmavertreter dürfen bei den Veranstaltungen nicht zugegen sein, auf die Einladungen werde einzig das Logo des Konzerns gedruckt.

Auch Seifritz sagt, seine Beratertätigkeit habe keinen Einfluss auf die Verschreibung von Medikamenten: «Ich spreche und berate über ein Gebiet, mit dem ich mich täglich in der Klinik als Psychiater und ­Psychotherapeut beschäftige, die Verschreibung der Medikamente ist unabhängig von meiner Vortrags- und Beratertätigkeit.

Der Medikamenteneinkauf an der Uniklinik ist Sache der Spital­verwaltung, die Erstellung der ­Medikamentenliste ist Aufgabe ­einer Kommission. Auf die habe er keinen Einfluss. Die Medikamente würden nicht direkt bei den Pharmaherstellern bezogen, sondern bei der Kantonsapotheke.

Public Eye sieht die Zahlungen kritischer

Patrick Durisch von der Nicht­regierungsorganisation Public Eye sieht die Zahlungen dennoch kritisch. Dass die Gelder der Pharmafirmen keinen Einfluss auf die Ärzte haben, schliesst er aus. «Aus meiner Sicht ist es völlig unrealistisch, dass ein Arzt sagt, er nehme Pharmagelder und bleibe total ­unabhängig. Es findet immer eine Beeinflussung statt. Das kann auch unbewusst sein.» Trotz öffentlichen Drucks seien die Zahlungen noch immer zu undurchsichtig, ihre ­Gesamthöhe bleibe unklar.

Manche Ärzte wehren sich bereits gegen Zahlungen von Pharmafirmen. Sie haben sich in der «Initiative unbestechlicher Ärzte» zusammengeschlossen. Unter dem Motto: «Mezis – Mein Essen zahle ich selbst» lehnen sie Pharmagelder ab. Auf ihrer Webseite heisst es: «Wir haben das gemeinsame Ziel, uns nicht von der Pharmaindustrie durch Essenseinladungen und Geschenke bestechen zu lassen.»

Seifritz tritt auch öffentlich in ­Erscheinung, so etwa letztes Jahr im Schweizer Fernsehen als Experte für Antidepressiva als Bestandteile von Therapien. Auf die Frage, ob ­Gelder von Pharmafirmen einen Einfluss auf seine Haltung haben, schreibt er: «Ich bin in allererster ­Linie Arzt und Wissenschaftler. Die Zahlungen spielen keine Rolle.»

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