Das Geschäft mit der Seele
Antidepressiva erzielen Millionen-Umsätze

Medikamente gegen Depression wirken laut einer Studie kaum besser als Placebos. Dennoch kassiert die Pharmaindustrie dafür allein in der Schweiz fast 200 Millionen Franken pro Jahr.
Publiziert: 03.10.2020 um 23:40 Uhr
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Die Wirkung von Psychopharmaka ist unter Fachleuten umstritten.
Foto: shutterstock
Sven Ziegler

Die Wirkung von Psychopharmaka ist unter Fachleuten umstritten. Im Mittelpunkt stehen häufig Anti­depressiva. 2019 sorgte eine Studie des Nordic Cochrane Centre in Kopenhagen für Auf­sehen. Der Befund: Antidepressiva wirken kaum besser als Scheinmedikamente ohne Wirkstoff, sogenannte Placebos.

Eine brisante Feststellung, nicht zuletzt für Hunderttausende Schweizer, die regelmässig Anti­depressiva nehmen. Und für die Hersteller, denn das Geschäft boomt: Gemäss einer Erhebung des Krankenkassenverbands Cura­futura erzielten Pharmafirmen mit Antidepres­siva allein hierzulande einen Umsatz von mehr als 192 Mil­lionen Franken.

Patrick Durisch, Gesundheitsexperte der unabhängigen Organisation Public Eye: «Psychologische Krankheiten können unterschiedlich ausgelegt werden. Wir beobachten, dass vermehrt auch bei Leuten, die vielleicht nur vorübergehend ein psychisches Tief haben, eine Depression diagnostiziert wird.»

Das Problem sei, dass nicht jedes Medikament bei jedem Menschen gleich wirke. Oftmals fehlten Abklärungen und genaue Dosierungsbestimmungen, bevor ein Medikament verschrieben würde.

Der Psychiater Erich Seifritz (59) verteidigt den Einsatz von Anti­depressiva. Er sagt: «In der wissenschaftlichen Literatur wird die Cochrane-Studie kritisch diskutiert, weil die Stu­dienmethodik die Wirksamkeit von Antidepressiva bei einzelnen Patienten gar nicht abschätzen kann. Moderne statistische Verfahren, sogenannte Einzelfall-Metaanalysen, zeigen aber auf, dass Antidepressiva bei Menschen mit Depressionen gut wirken.»

Geschadet hat die Studie der Pharmabranche nicht. Anti-depressiva sind weiterhin eine Goldgrube: Das Medikament Mirtazapin-Mepha zum Beispiel, das bei Schlaf­störungen eingesetzt wird, verbuchte im vergangenen Jahr ein Umsatzwachstum von 112 Prozent.

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