Die Wirkung von Psychopharmaka ist unter Fachleuten umstritten. Im Mittelpunkt stehen häufig Antidepressiva. 2019 sorgte eine Studie des Nordic Cochrane Centre in Kopenhagen für Aufsehen. Der Befund: Antidepressiva wirken kaum besser als Scheinmedikamente ohne Wirkstoff, sogenannte Placebos.
Eine brisante Feststellung, nicht zuletzt für Hunderttausende Schweizer, die regelmässig Antidepressiva nehmen. Und für die Hersteller, denn das Geschäft boomt: Gemäss einer Erhebung des Krankenkassenverbands Curafutura erzielten Pharmafirmen mit Antidepressiva allein hierzulande einen Umsatz von mehr als 192 Millionen Franken.
Patrick Durisch, Gesundheitsexperte der unabhängigen Organisation Public Eye: «Psychologische Krankheiten können unterschiedlich ausgelegt werden. Wir beobachten, dass vermehrt auch bei Leuten, die vielleicht nur vorübergehend ein psychisches Tief haben, eine Depression diagnostiziert wird.»
Das Problem sei, dass nicht jedes Medikament bei jedem Menschen gleich wirke. Oftmals fehlten Abklärungen und genaue Dosierungsbestimmungen, bevor ein Medikament verschrieben würde.
Der Psychiater Erich Seifritz (59) verteidigt den Einsatz von Antidepressiva. Er sagt: «In der wissenschaftlichen Literatur wird die Cochrane-Studie kritisch diskutiert, weil die Studienmethodik die Wirksamkeit von Antidepressiva bei einzelnen Patienten gar nicht abschätzen kann. Moderne statistische Verfahren, sogenannte Einzelfall-Metaanalysen, zeigen aber auf, dass Antidepressiva bei Menschen mit Depressionen gut wirken.»
Geschadet hat die Studie der Pharmabranche nicht. Anti-depressiva sind weiterhin eine Goldgrube: Das Medikament Mirtazapin-Mepha zum Beispiel, das bei Schlafstörungen eingesetzt wird, verbuchte im vergangenen Jahr ein Umsatzwachstum von 112 Prozent.