«Zuerst soll die Scintilla anfangen Wasser zu sparen»
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Die Bevölkerung ist einig:«Zuerst soll die Scintilla anfangen Wasser zu sparen»

Zoff im Bergdorf St. Niklaus VS: Gemeinde warnt vor akutem Wassermangel, Bevölkerung rebelliert wegen Verbrauch von Fabrik
«Ich werde meinen Garten weiterhin giessen!»

Wenn es nicht ganz bald grosse Mengen regnet, dann geht St. Niklaus VS das Wasser aus. Die Gemeinde hat darum die Bürger aufgefordert, Wasser zu sparen. Dies sorgt jedoch bei den Dorfbewohnern für rote Köpfe: Sie sehen die ansässige Fabrik in der Verantwortung.
Publiziert: 30.03.2022 um 00:32 Uhr
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Aktualisiert: 30.03.2022 um 10:26 Uhr
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Daher habe man nun ein Verbot erlassen, die Gärten zu bewässern.
Foto: Luisa Ita
Luisa Ita

Der Trinkwasserversorgung in St. Niklaus VS droht der Kollaps. «Es ist ‹Matthäus am Letschte›», meint Gemeindepräsident Paul Biffiger (63). «Es hat seit November kaum geregnet, und es hat wenig Schnee, daher wird die Schneeschmelze kleiner ausfallen als in anderen Jahren.»

Der Grundwasserspiegel sei darum um fast zwei Meter abgesunken und erhole sich nicht. Aktuell könne man gerade noch den Verbrauch decken.

In Bagdad regnet es mehr als in St. Niklaus

Laut Meteo Schweiz wurden in der Region im März gerade mal 0,4 mm Niederschlag gemessen. In der Zeitspanne von November bis März waren es insgesamt 110 mm. Das gleicht einem Wüstenklima. Zum Vergleich: In der irakischen Hauptstadt Bagdad regnet es im gleichen Zeitraum im Schnitt 121 mm.

«Wir haben nun auf der Homepage zum Wassersparen aufgerufen», sagt Biffiger. Ein besonderes Augenmerk liege hier auch auf den Bauern oder Leuten mit grossen Gärten. Es gebe Anhaltspunkte, dass manche unnötig Wasser verschwenden würden: «Damit ihnen die Leitungen nicht zufrieren, lassen sie teilweise die Hähne ganzjährig laufen.» Dieses Problem müsse man angehen, man strebe ein Wasserzähler-Obligatorium an. Doch kurzfristig setzt die Gemeinde auf andere Massnahmen: Sie hat der Bevölkerung etwa das Bewässern von Gärten untersagt.

Der Dorfbewohner Robert Fux (73) arbeitet in seinem geliebten Garten, als Blick ihn trifft. Dass man Wasser sparen soll, wusste er noch nicht – aber es ist ihm auch egal: «Ich werde meinen Garten weiterhin giessen, sogar wenn ich dafür eine Busse zahlen müsste», sagt er.

Und sowieso: «Die Fabrik verbraucht unser Trinkwasser», sagt er. Fux meint damit die Scintilla AG, die zur deutschen Bosch-Gruppe gehört und im Bergdorf mit rund 700 Angestellten Sägeblätter fertigt.

Dorfbewohner haben keine Lust zum Wassersparen

In einer Dorfbeiz sitzen zufällig mehrere Mitarbeiter dieser Firma. Auch sie ahnten bislang nichts von der Wasserknappheit im Ort. Aber auch Mechaniker Kevin Sestito (27) will sich von den Behörden nichts vorschreiben lassen: «Ich werde nicht Wasser sparen. Wir sind hier in den Bergen, hier ist überall Wasser.»

Und Scintilla-Betriebsmitarbeiterin Caroline Brigger (44) sowie Elektriker Lorenz Gerhard (58) sind ebenfalls nicht erpicht aufs Wassersparen: «Wir werden sehr dreckig beim Arbeiten in der Scintilla und müssen einfach jeden Tag duschen.»

Fabrik spart bereits Wasser

Alle drei blasen schliesslich ins gleiche Horn, wie schon Rentner Fux. «Die Scintilla verbraucht schon sehr viel Wasser, die müsste als Erste sparen», so Brigger.

Tatsächlich tut das die Firma aber längst, wie sie auf Blick-Anfrage erklärt. Anfang März habe man vom akuten Wassermangel erfahren und sofort den Einsatz von Maschinen reduziert: «Dies ermöglichte es uns, in den letzten drei Wochen rund zehn Prozent Wasser zu sparen. Weitere Massnahmen sind in Prüfung», sagt Sonja Bloechlinger, Sprecherin der Firma.

Dass es ab Mittwoch endlich regnen soll, wird die Walliser zwar freuen. Gemeindepräsident Biffiger glaubt nicht recht, dass der prognostizierte Niederschlag die Situation schon entspannt, meint aber: «Wir halten zusammen und schaffen das.»

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