Sieben Minuten braucht die Seilbahn vom Grund des Saastals im Wallis hinauf zum Weiler Schweiben. Vier Leute passen in die Kabine, die Seiten sind offen, man spürt den Fahrtwind. Nichts für Menschen mit Schwindel. Die Seilbahn ist die Lebensader für die acht Hütten, die sich auf 1675 Meter über Meer an die Flanke des Mischabelkette pressen. Eine Lebensader, die saniert werden muss, sonst droht der Bahn das Aus. Doch das wird teuer – es fehlt an Geld.
Bis in die 1960er-Jahre war Schweiben noch ganzjährig bewohnt, dann wurden die Hütten zu Feriendomizilen für Bergliebhaber.
Seit 1991 aber hat Schweiben wieder einen ganzjährigen Bewohner. Damals lässt sich Christian Aellen (67) in einer der Hütten nieder. Seit fast drei Jahrzehnte lebt er auf Schweiben als letzter Alpöhi. «Wenn es irgendwie geht, würde ich gerne hier sterben», sagt er, als Blick ihn besucht.
Von der Stadt in die Einsamkeit der Berge
Christian Aellen ist eigentlich ein Stadtkind. Mitte der 1950er-Jahre wird er in Basel geboren. Doch die Stadt passt ihm nicht. Mit 17 zieht es in erstmals in die Berge, er arbeitet auf einem Bergbauernhof im Urnerland.
Später jobbt er als Camionfahrer oder für ein Kosmetikunternehmen. Doch die Berge lassen ihn nicht los. Anfang der 1990er-Jahre kauft Aellen dann die Hütte auf Schweiben. «Am 1. Januar 1991 zog ich ein», erinnert er sich.
Seit jenem Tag ist Schweiben Aellens Zuhause. Bis vor vier Jahren arbeitet er als Bergbauer, mit Bio-Zertifikat, lebt von knapp 12'000 Franken an Direktzahlungen. «Nun bin ich pensioniert, lasse es etwas ruhiger angehen», sagt er. Das aber ist eine Untertreibung. Das Leben des Alpöhi ist aufwendig und arbeitsreich.
Zum grossen Teil Selbstversorger
Aellen sitzt vor seiner Hütte und raspelt Rüebli. Vieles von dem, was er isst, baut er in seinem Garten selber an. «Man lernt das Essen zu schätzen, für das man krampfen musste.» Weggeschmissen wird beim Alpöhi nichts. Acht Schafe, drei Hühner und zwei Enten versorgen ihn mit Fleisch und Eiern. Bis zu zwölf Stunden dauert ein Arbeitstag.
Verheiratet war Christian Aellen nie, Kinder hat er keine. Die Einsamkeit aber macht ihm nichts aus. «Letztes Jahr war ich acht Monate nicht im Tal», so Aellen. Er geniesst die Abgeschiedenheit, lebt nach dem Motto: «Allein sein zu müssen ist das Schwerste, allein sein zu können das Schönste.»
Obwohl Aellen das einfache Leben schätzt, etwas Luxus darf es dann auch für den Alpöhi sein. «Meine Waschmaschine ist schon eine enorme Erleichterung», sagt Aellen, der bis vor ein paar Jahren noch von Hand gewaschen hat. Auch die Milchlieferungen vom Coop im nahe gelegenen Dorf Eisten schätzt er sehr. «Ich liebe Milch! Müsste ich darauf verzichten, wäre das schon ein herber Rückschlag.»
Noch 50'000 Franken nötig
Damit Christian Aellen an seine Milch kommt, braucht es aber die Seilbahn hinauf nach Schweiben. Zu Fuss braucht man über eine Stunde hinauf in den Weiler. «Die Bahn macht vieles einfacher», sagt Aellen. Ohne sie wäre es selbst für den Alpöhi kaum möglich, das ganze Jahr über hier oben zu leben. «Ich kann zwar zu Fuss gehen, bin aber auch nicht mehr der Jüngste.»
Doch mit der Seilbahn gibt es ein Problem. Manuel Furrer (30), der Sekretär der zuständigen Genossenschaft, sagt: «Wir müssen eine neue Steuerung einbauen, sonst dürfen wir die Bahn nicht mehr betreiben.» Die Steuerung aber kostet viel Geld, rund 230'000 Franken. Bislang konnte die Genossenschaft schon einiges sammeln, doch es fehlen noch über 50'000 Franken. «Die Seilbahn ist für Schweiben überlebenswichtig», sagt Furrer.
Auch Christian Aellen hofft, dass die Bahn weiterfahren kann. Auch, weil er einen Nachfolger für seinen kleinen Hof sucht. Er selbst würde sich dann in ein Nebengebäude zurückziehen. «Jemanden zu finden, der das hier übernehmen will, ist eh schwierig», sagt er, «ohne Bahn aber wohl unmöglich».