Noch vor einem Jahr war Christian Aellen (68) verzweifelt. Der Alpöhi der Alp Schweiben im Saastal will sich zur Ruhe setzen, doch ein oder gar mehrere Nachfolger für seinen Bergbauernhof waren weit und breit nicht in Sicht. Seit 1991 wohnt Aellen als einziger Bewohner ganzjährig auf der Alp, führt ein Leben, für das sich heutzutage kaum noch jemand begeistern kann.
Im letzten März aber verändert sich für Aellens alles. Wie durch ein Wunder hat er doch noch Menschen gefunden, die abgeschieden in den Walliser Bergen leben wollen. Zwei junge Deutsche sind auf seine Alp gezogen und wollen den Betrieb übernehmen – obschon sie noch nie einen Bauernhof geführt haben. Ein erstes Tier bringen sie selber mit: eine Würgeschlange.
Deutsche Nachfolger
Schon länger hat Pensionär Christian Aellen nach Nachfolgern gesucht, die seinen Berghof übernehmen wollen. Nicht so einfach, denn es gibt eine Bedingung: Wer auch immer seinen Hof übernimmt, muss wie Aellen Berglandwirtschaft betreiben. «Als Chalet wollte ich den Hof nicht weitergeben», sagt er zu Blick.
Er schaltet verschiedene Anzeigen, hofft, dass sich jemand meldet. Tatsächlich kontaktieren ihn im letzten November zwei junge Deutsche. Marlen Bentner (29) aus dem Schwarzwald und Moritz Schlotthauer aus Bielefeld (29) haben Interesse, den Hof des Walliser Alpöhis zu übernehmen.
Über die Wintermonate ist das Paar mehrmals zu Besuch bei Aellen, Ende März zieht das Paar aus Rafz ZH definitiv auf den Hof in den Walliser Alpen. Der Alpöhi wechselt unterdessen in das kleinere Nebengebäude. «Wir schätzen die Ruhe hier oben, die Abgeschiedenheit, das Leben mit der Natur. Wir haben schon länger nach einem Heim in den Bergen gesucht, nun sind wir hier auf Schweiben fündig geworden», sagt Moritz Schlotthauer.
Für Marlen Bentner hat das Leben auf der Alp noch einen weiteren Vorteil. Sie sagt: «Hier gibt es viel weniger Feinstaub, was sich sehr positiv auf meinen chronischen Husten auswirkt.» Ausserdem liebt die junge Frau Tiere, ihr gehört eine Boa Constrictor mit dem Namen Py. «Ich will auf einem Hof mit vielen Tieren leben», sagt Bentner. Neben der Schlange gehören schon Hühner und Schafe zum Inventar. Marlen Bentner träumt aber auch noch von Hunden und einem Esel.
Hightech auf der Alp
Anders als Alpöhi Christian Aellen werden Schlotthauer und Bentner aber nicht nur von der Berglandwirtschaft leben. Wirtschaftsingenieur Schlotthauer hat während des Studiums eine IT-Firma gegründet, dank Satellitenverbindung kann er ohne Probleme auch auf 1760 Meter über Meer arbeiten. Seine Partnerin ist ebenfalls Ingenieurin, dazu noch Physikerin. Sie wird ab September bei Lonza in Visp tätig sein.
Entsprechend ist mit den beiden auch viel Hightech auf die Alp gekommen. Neben leistungsstarken Computer verfügt der Hof nun über einen 3D-Drucker und eine computergesteuerte Metallfräse. Zur grossen Freude des Alpöhis. «Zum ersten Mal gibt es hier oben richtiges WLAN», sagt Christian Aellen. Ausserdem träumt er von einem Mähroboter, der vielleicht eines Tages das Gras auf den steilen Matten schneiden kann. «Für die Entwicklung eines solchen Prototyps sind die beiden natürlich genau die Richtigen.»
Jeden Tag etwas Neues lernen
Geht es um Fragen der Landwirtschaft, so ist aber der Alpöhi, der der Fachmann ist. «Sie müssen noch viel lernen!», sagt Aellen. Zum Beispiel wie man sauber mit der Sense das Gras schneidet, wann das Heu richtig trocken ist, oder wie man die Wiesen bewässert. «Das ist aber nicht schlimm und auch verständlich, immerhin habe ich viele Jahre Erfahrung und die beiden sind noch Greenhorns.» Aellen ist gerne Lehrmeister.
Gleichzeitig geht es für den Alpöhi darum, sein altes Leben loszulassen. «Das muss ich mich noch dran gewöhnen.» Das hat aber auch Vorteile, Christian Aellen hat jetzt mehr Zeit für sich, zum Beispiel um die Schweiz zu bereisen, oder auch um endlich wieder man Ferien zu machen. Das hat er seit 24 Jahren nicht mehr getan.