Am 18. Januar begann für rund 15'000 junge Schweizerinnen und Schweizer die Winter-Rekrutenschule – dazu gehören 12'000 Rekruten sowie knapp 3000 Kadermitglieder. Laut Angaben der Armee wurden bisher fast 400 von ihnen positiv auf das Coronavirus getestet und isoliert. Einer davon ist Rekrut Jürg R.* (20). Er absolviert seine RS bei der Artillerie auf dem Waffenplatz Bière VD.
Diese Woche wurde er positiv auf das Virus getestet und befindet sich nun zusammen mit rund 15 anderen Erkrankten in Isolation. R. klagt über ein Stechen in der Lunge. «Mir geht es scheisse, und das Militär trägt Schuld daran», sagt er zu BLICK.
«Ansteckungen können nicht vollständig verhindert werden»
Warum? Erst letzte Woche seien noch alle Armee-Gspänli in seinem Zimmer negativ auf Corona getestet worden. Doch anstatt Vorsicht walten zu lassen, hätten sie weiterhin Programm gehabt. Dabei hätten sie sich im gleichen Gebäude bewegt wie die Rekruten, die unter Quarantäne stehen. Weil sich in der Kaserne die sanitären Anlagen ausserhalb der Zimmer befinden, seien Kontakte unausweichlich, sagt Jürg R.
Um kein Risiko einer Ansteckung für die eigenen Leute und die Bevölkerung einzugehen, halte man die Massnahmen strikt ein, heisst es von Armeesprecher Stefan Hofer zu BLICK. Die Rekruten, die in Quarantäne oder Isolation müssen, würden streng vom Rest der Truppe abgesondert. Aber: «Trotz Anstrengungen aller Beteiligten können Ansteckungen während der Dienstzeit nicht vollständig verhindert werden.»
«Seit fünf Wochen nicht zu Hause»
Eine wichtige Massnahme, um das Virus einzudämmen, sei – zum Leidwesen der Rekruten – der gestrichene Urlaub. «Aktuell wird den Rekruten und Kadern grundsätzlich ein allgemeiner Urlaub alle drei Wochen gewährt», sagt er. Das bekommt auch Jürg R. zu spüren. «Seit fünf Wochen war ich nicht mehr zu Hause», sagt er. Und: Momentan gebe es auch keine Hoffnung, dass sich das ändert. Denn wer sich in Quarantäne oder Isolation befindet, muss auf dem Waffenplatz bleiben.
Die Rekruten müssen mit weiteren Einschränkungen leben. Wer sich Quarantäne befindet, darf täglich nur für eine bestimmte Zeit nach draussen an die frische Luft. Wer in Isolation ist, darf hingegen unbeschränkt raus – in beiden Fällen ist der Freigang aber nur in einem abgesperrten Bereich möglich. Für Jürg R. und seine Kameraden unverständlich. Sie fühlen sich eingesperrt.
All das hätte laut dem Rekruten verhindert werden können, wenn die Armee regelmässiger testen würde – nicht nur dann, wenn Symptome auftreten. Doch laut Stefan Hofer basiert die momentan Teststrategie auf den Vorgaben des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Diese sieht Testungen aller Armeeangehöriger bei Dienstantritt, vor und nach allgemeinen Urlauben sowie vor einer Entlassung vor. «Während der Quarantäne wird um den 7. Tag getestet», sagt Hofer. Zudem seien auch individuelle Testungen beim Auftreten von Symptomen möglich.
«Am besten RS abbrechen»
Für Jürg R. ist klar: «Am besten würden sie die RS abbrechen.» Denn viel gelernt habe er bisher ohnehin nicht. Ganz anderer Meinung ist hingegen Hofer: «Der Grundauftrag der Schweizer Armee, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, ist auch in Zukunft gültig», sagt er. Dafür brauche es ausgebildete Soldaten und Kader.
Für den Unmut der Rekruten hat er aber trotzdem Verständnis: «Wie die ganze Gesellschaft ist auch die Armee von den Konsequenzen der Pandemie betroffen, und auch wir lernen täglich dazu und versuchen das Beste aus der Situation zu machen.» Die Gesundheit der Rekruten und Kader habe dabei oberste Priorität.
*Name geändert