Wie sicher ist mein Geld auf der Bank? Eigentlich sehr, würden die meisten wohl antworten. Wie einfach sich Diebe dennoch Zugang dazu verschaffen können, mussten Walter H.* (67) und Dominique S.* (62) aus der Region Delsberg JU erleben. Ihnen wurden vor zwei Jahren rund 200'000 Franken gestohlen. Die beiden sind überzeugt: «Hätte unsere Bank ihren Job gemacht, wäre das Ganze nicht passiert!»
Dass ihre Gutgläubigkeit den Betrug erst ermöglicht hat, ist Walter H. und Dominique S. bewusst. Als das Ehepaar im September 2022 zum ersten Mal über «Bitcoin Fast Profit» stolpert, lesen sie Dutzende positive Testberichte. Diese beschreiben «Bitcoin Fast Profit» als eine Kryptowährung-Handelswebsite, die dank künstlicher Intelligenz schnell hohe Gewinne erzielt. Heute wissen sie: alles Bschiss!
Das Paar investiert zunächst nur kleinere Beträge. Wochenlang telefonieren sie fast täglich mit den Deutsch sprechenden Beratern von «Bitcoin Fast Profit». Als sie für eine Investition einen Bitcoin à rund 20'000 Franken kaufen wollen, verlangen sie zunächst das investierte Geld inklusive Gewinn zurück – rund 15'000 Franken. Die Betrüger willigen ein, fordern dafür die Kontodaten und Zugang zum PC. Unbemerkt können die Betrüger auch auf Walters Handy eine Schadsoftware installieren und so die Zwei-Faktor-Authentifizierung für zwei Überweisungen à 90'000 und 95'000 Franken umgehen. Die Polizei kann das Geld zu diversen ausländischen Konten zurückverfolgen – doch die Spur endet auf den Seychellen.
«Wir haben uns von ihnen einlullen lassen»
Noch heute schämt sich das Paar: «Wir haben uns von ihnen einlullen lassen. Ich komme mir so dumm vor», sagt Dominique S. Gleichzeitig sind beide überzeugt, dass sie nicht als einzige ihre Sorgfaltspflicht missachtet haben. Dieser Aussage stimmen sogar die Betrüger zu. Walter erzählt, dass ihm einer der «Bitcoin-Fast-Profit»-Männer im letzten Telefongespräch sagte, wie einfach es die Bank ihm gemacht habe. «Sogar der Betrüger riet uns, dringend die Bank zu wechseln.»
Walter H. ist seit über 30 Jahren Kunde der Raiffeisenbank Seeland. In dieser Zeit schickte er nur einmal grössere Summen ins Ausland, als er vor acht Jahren einen VW-Bus in Deutschland gekauft hat. «Damals rief mein Berater an und überprüfte, ob die Überweisung kein Betrug ist.» Beim tatsächlichen Betrug im Herbst 2022 passierte das nicht.
Dass ein Banksystem verdächtige Transaktionen ohne Zusatz-Überprüfung ausführt, verstösst nicht gegen das Gesetz. Dennoch fordern Walter H. und Dominique S. die 95'000 Franken der zweiten Überweisung nun als Schadenersatz von der Raiffeisenbank Seeland. Denn laut dem Ehepaar habe das System der Bank die Aufträge nicht nur rückfragelos aus durchgeführt, sondern die zweite Überweisung sogar umgeleitet, als diese von der Übermittlungsbank blockiert wurde.
Zudem war auch das Verhalten der Bank nach der Betrugsmeldung fragwürdig. «Als ich am Freitagmorgen anrief, wollte man das Vorgehen zunächst abklären», erzählt Walter H. Stunden später sagte man ihm: Bevor versucht werden kann, das Geld zurückzuholen, müsse Walter eine Anzeige bei der Polizei machen und schriftlich bestätigen, dass er die Spesen für die Rückforderung übernehmen werde. Weswegen die Rückforderung erst am Montag eingeleitet wurde.
Kein Happy End in Sicht
Auf Anfrage schreibt die Raiffeisenbank Seeland, dass sie sich aus Sicherheitsgründen nicht zu Details von Betrugsfällen äussern. Es heisst lediglich: «Generell entspricht das Raiffeisen E-Banking den aktuellen sicherheitstechnischen Ansprüchen.»
Auch die Banken-Ombudsstelle hat sich mit dem Betrugsfall befasst, konnte allerdings keine Lösung finden. Das Höchstgebot der Raiffeisenbank Seeland war der Erlass von sechs Monaten Hypothekarzinsen. Walter H. und Dominique S. lehnten das «unverschämte» Angebot ab: «Das sind gerade mal 3000 Franken.»
In seinem Abschlussschreiben benennt Ombudsmann Andreas Barfuss ganz klar ein Fehlverhalten von Walter H. und Dominique S. Barfuss schreibt aber auch, dass er das Abwarten der Bank nicht versteht: «Die Rückforderung hätte umgehend eingeleitet werden sollen.» Das Resultat wäre aber wohl dasselbe gewesen.
Walter H. und Dominique S. entdeckten den Betrug erst drei beziehungsweise vier Tage nach den Überweisungen. Es ist also tatsächlich fraglich, ob eine schnellere Reaktion der Bank das Geld hätte retten können. Aber: Die später von der Polizei beauftragte Firma Cybera konnte eine dritte Überweisung über 3000 Franken auch fünf Tage nach der Ausführung noch zurückholen.
Doch ein Grossteil vom Pensionskassengeld ist weg. Das Paar, das sein ganzes Leben für den Ruhestand gespart hat, sieht nun einer düsteren finanziellen Zukunft entgegen. Beide haben sich Gelegenheitsjobs gesucht, um ihre Finanzen aufzubessern. «In einigen Jahren werden wir uns aber wohl oder übel für Ergänzungsleistungen anmelden müssen.»
* Namen bekannt
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