Der Berner Kantonspolizei ist es mit Hilfe von ukrainischen und georgischen Strafverfolgungsbehörden gelungen, eine Gruppe von mutmasslichen Online-Anlagebetrügern zu identifizieren. Diese soll weit über hundert mutmasslich betrügerische Webseiten betrieben haben.
Die mutmassliche Täterschaft habe ein ausgedehntes Konstrukt mit Strohfirmen und dazugehörigen Bank- und Kryptowährungskonten errichtet, schreibt die bernische Staatsanwaltschaft für besondere Aufgaben in einer Mitteilung vom Dienstag. Es gehe um sogenannten «Boiler Room Scam».
Bei dieser Art von Online-Betrug würden Personen mit Hilfe von Werbeanzeigen, attraktiv und professionell gestalteten Webseiten zu Investitionen animiert. Manchmal würden die potenziellen Opfer auch aktiv durch angebliche Finanz- oder Anlageberater vorwiegend telefonisch oder per E-Mail kontaktiert.
So werde versucht, die Geschädigten zu vermeintlichen Investitionen in Wertschriften oder Kryptowährungen zu bewegen, wobei grosse Renditen innerhalb kurzer Zeit versprochen würden. Diese mutmasslichen Betrüge hätten bis heute – europaweit betrachtet – finanzielle Schäden in hundertfacher Millionenhöhe mit zehntausenden Geschädigten zur Folge gehabt.
Ermittlungen seit 2019
Im vorliegenden Fall begannen die Ermittlungen im Oktober 2019 nach einer Strafanzeige im Kanton Bern. Das Opfer hatte sich auf einer Tradingplattform registriert, woraufhin ein Agent telefonischen Kontakt aufnahm und die betroffene Person dazu bewegen konnte, eine Ersteinzahlung zu leisten.
In der Folge gewann der Agent das Vertrauen der geschädigten Person und forderte sie auf, ein Fernzugrifftool auf ihrem Computer zu installieren.
Berner Polizei-Spezialisten gelang es in der Folge, die Standorte der von den Tätern genutzten Computersysteme zu lokalisieren, diese zu beschlagnahmen und so insgesamt mehr als 50 Terabyte Daten systematisch auszuwerten.
Gestützt darauf ergaben sich Hinweise, wonach die mutmasslichen Täter ein Call-Center in der Ukraine betrieben, woraufhin die Kantonspolizei Bern mit den ukrainischen Strafverfolgungsbehörden in Kontakt trat. Im Zuge der gemeinsamen Ermittlungen konnten drei weitere Call-Center in der Ukraine identifiziert werden, die mutmasslich derselben Gruppe gehörte.
Ukraine-Krieg verzögerte Nachforschung
Wegen des Kriegs in der Ukraine und weil ein Call-Center später umzog, mussten die Ermittlungen eine Zeit lang unterbrochen werden.
Nachdem 2022 zwei weitere Anzeigen wegen Online-Anlagebetrugs bei der Kantonspolizei Bern eingegangen waren, zeigte sich, dass die Verdächtigten inzwischen von Georgien aus tätig waren.
Im ersten Halbjahr 2023 fanden dann sowohl in der Ukraine als auch in Georgien verschiedene Ermittlungsmassnahmen, unter anderem Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, Sicherstellungen von weiteren Computersystemen und Aktionen in den identifizierten Call Centern statt.
Darüber hinaus wurden mit Unterstützung von Europol und Eurojust anlässlich einer koordinierten Aktion in diversen Ländern zahlreiche Bankkonten gesperrt, die mutmasslich indirekt den identifizierten mutmasslichen Tätern gehören. Eurojust ist die EU-Justizbehörde.
Die Ermittlungen seien nach wie vor im Gange, steht in der Mitteilung. Es könne aktuell nicht ausgeschlossen werden, dass die Täterschaft nach wie vor grossflächig aktiv sei.
Berner Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft warnen vor Vertrauen in «zwar seriös wirkenden, dennoch oftmals mutmasslich betrügerischen 'Online Finanzinvestitionen' jeglicher Art.» Besondere Vorsicht sei geboten, wenn nach der Kontaktaufnahme jemand dazu auffordere, Fernzugriff-Instrumente auf den elektronischen Geräten zu installieren. (SDA)