Am Tag der Beerdigung von Mère Marie-Chantal (†101) in Brasilien soll Anfang September ein Wunder geschehen sein. Eine junge zweifache Mutter erwachte trotz negativer Prognose der Ärzte aus dem Corona-Koma. Ihr Zustand hatte sich auf wundersame Weise verbessert. Die Kranke hatte kurz vorher noch Besuch: von der Schweizer Nonne Marie-Chantal, die für sie betete, bevor sie Tage später verstarb. War es also die gebürtige Freiburgerin aus Promasens, die aus dem Jenseits für die Heilung der jungen Frau sorgte?
Sicher, glaubt Benoît* (62), Neffe der kürzlich verstorbenen Nonne. In den letzten Jahren hatte er sie dreimal in Brasilien besucht, ihr Leben aufgezeichnet, ihr Fragen über Gott und die Welt gestellt. «Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis», sagt der Neffe zu BLICK. «Wir telefonierten auch sehr viel miteinander.» Er habe die Nonne gefragt, ob er die Gespräche aufnehmen dürfe. «Falls ich – oder jemand anders – einmal ein Buch über sie schreiben möchte. Sie war schliesslich eine aussergewöhnliche Persönlichkeit», so der Verwandte.
1963 ging es per Schiff nach Brasilien
Nonne Marie-Chantal war vor allem in der Westschweiz bekannt – auch wenn sie 1963 ein Schiff Richtung Südamerika bestieg und von da an in Brasilien wirkte. 101 Jahre voller Leben hatte ihr der Herr geschenkt. Die Freiburgerin wiederum hatte seit ihrem 32. Lebensjahr ihr Dasein ganz Gott gewidmet.
Die älteste von vier Schwestern hatte schon früh ihren Vater verloren. Dennoch konnte ihre verwitwete Mutter zwei Mädchen ein Studium bezahlen. Marie-Chantal, die eigentlich Marguerite Modoux hiess, kam in diesen Genuss und wurde Sekundarlehrerin. Dann war sie auch Kindermädchen des späteren Königs Juan Carlos (82) in Spanien – und Gouvernante einer Diplomatenfamilie im Vatikan.
Erweckungserlebnis in Portugal
«Ich denke, es war im Vatikan, als sie den klösterlichen Ruf hörte», vermutet der Neffe. Ein Ereignis in den Ferien in Portugal habe sie zuvor aber auch schon ein grosses Stück näher zu Gott geführt. Er führt aus: «Sie wäre fast in einem Fluss ertrunken. Ein Arbeiter warf ihr ein Seil zu und rettete ihr das Leben. Ich glaube, das war ein Schlüsselerlebnis.»
1951 entscheidet sich Marie-Chantal für ein Kloster in Belgien. Später verbringt sie sechs Jahre im Kongo. «Ihre Ausbildung zur Lehrerin hat ihr das wohl ermöglicht», so der Neffe. Dann sucht die katholische Kirche Freiwillige, die nach Südamerika gehen wollen. «Sie meldete sich. Mit zwei anderen Schwestern bestieg sie ein Schiff nach Brasilien.»
Mit anderen Schwestern das Kloster gegründet
Das Land wird Marie-Chantals Heimat. Zusammen mit anderen Schwestern gründet sie das Kloster Mosteiro Do Encontro in Mandirituba, rund 500 Kilometer südwestlich von São Paulo. Es gibt weder Telefon noch Strom – oder sonst noch irgendeine geordnete Infrastruktur. Alles bauen die Nonnen selber auf. Marie-Chantal wird erste Priorin des Klosters.
Bis zuletzt habe sich seine Tante nie in den Vordergrund gestellt und immer nur an die anderen gedacht, erzählt der Neffe. «Sie hatte seit über 25 Jahren Schmerzen und ging gebückt. Dennoch sagte sie immer, es gehe doch. Aber als eine Schwester mal Zahnschmerzen hatte, schickte sie sie sofort zum Zahnarzt. Marie-Chantal war einfach selbstlos.»
Der Neffe kennt auch die letzten Worte seiner Tante – sie wurden ihm von den Schwestern aus dem Encontro-Kloster überliefert. «Sie verabschiedete sich von ihrem irdischen Dasein mit ‹Merci, merci›». Ein letzter Dank – bevor sie für immer die Augen schloss.
* Name der Redaktion bekannt