Darum gehts
- Gary Poppelreiter durchlief eine 18-jährige Angleichung von Frau zu Mann
- Verpfuschte Operation führte zu Komplikationen und unbefriedigenden Ergebnissen
- Insgesamt zahlte Poppelreiter 215'000 Euro für zwei Phalloplastiken
Die Verwandlung des Franzosen Gary Poppelreiter (30) hat 18 Jahre gedauert. Eine Verwandlung, an deren Ende aus einer Frau ein Mann wurde. Eine Verwandlung, die viel Leid und gewaltige Kosten mit sich brachte. «Ich habe mich immer als Junge gefühlt,» sagt Gary Poppelreiter zu Blick und fügt an: «Im Kindergarten zeichnete ich mich selbst mit Hosen und einem Penis». Im Jahr 2010 beginnt er mit einer Hormonbehandlung. «Mein Vater hat mich aus dem Haus geworfen. Ich musste mein Studium abbrechen, mir Gelegenheitsjobs suchen, um die Geschlechtsangleichung von Frau zu Mann zu finanzieren.»
Im selben Jahr werden Poppelreiter die Brüste operativ entfernt, es folgt die Entfernung der Gebärmutter im Jahr 2014. Dann steht seine Phalloplastie an. Bei dieser Operation wird dem Patienten ein Penis aus Haut geschaffen. Die Haut wird zuvor an einer anderen Körperstelle wie dem Rücken, dem Oberschenkel oder auch dem Arm entnommen. Die Phalloplastie ist ein Höhepunkt für Poppelreiter. «Es war das Ende des Weges, das Ende des Leidens. Hätte ich keine Phalloplastie machen können, hätte ich mich umgebracht», sagt er heute.
Verpfuschte Operation
Die 52'000 Euro teure Operation wird 2019 im Ausland von einem Chirurgen durchgeführt, der in der Trans-Community eigentlich über einen guten Ruf verfügt. Der Chirurg operiert auch in der Schweiz. «Ich war voller Vertrauen, doch ich habe Zehntausende Euro für einen misslungenen Penis bezahlt», sagt der 34-Jährige. Beim ersten Gespräch verspricht ihm der Spezialist einen Penis mit einer Länge von mindestens 12 Zentimeter. Das Glied soll funktionstüchtig sein, sodass man mit ihm im Stehen urinieren und dank einer Erektionsprothese auch Geschlechtsverkehr haben kann.
Die Operation verläuft jedoch ganz und gar nicht nach Plan. Als Gary Poppelreiter aufwacht, verspürt er grosse Schmerzen in seinem rechten Bein. Dort ist ein Logensyndrom aufgetreten - ein Druckanstieg im Muskel, der eine sofortige Notoperation erforderlich macht. «Das Blut zirkulierte nicht mehr im rechten Bein», sagt Poppelreiter. Der Eingriff dauert 14 Stunden, es folgen sechs weitere Operationen, um die Schwellung seines Beins zu normalisieren. Statt zwei Wochen liegt Poppelreiter einen Monat im Krankenhaus.
Einen Mikropenis bekommen
Es ist der Beginn eines Albtraums. «Ich verbrachte sechs Monate in einem Sessel, konnte nicht mehr laufen», sagt Poppelreiter.
Auch mit dem neuen Penis ist er vollkommen unzufrieden. Er sagt: «Ein totaler Fehlschlag, ein Mikropenis. Das Glied ist nur acht Zentimeter lang und zu dünn. Ich habe kein Gefühl darin.» Poppelreiter bezweifelt zudem, dass überhaupt eine Erektionsprothese eingesetzt wurde. Das sei bei acht Zentimeter Gliedgrösse gar nicht möglich.
Poppelreiter verliert seinen Job. Die Rechnungen häufen sich, das Geld wird knapp und seine Lebensgefährtin verlässt ihn. «Ich war psychisch am Boden», so der 30-Jährige. Er versucht mehrmals, den Chirurgen anzurufen, um Jahre nach dem Eingriff endlich einen Termin zu bekommen. «Er hat aber nie einen Fehler eingestanden.» Blick will mit dem Chirurgen über die Operation sprechen. Sein Anwalt antwortet: «Mein Mandant weist alle Anschuldigungen des Patienten Poppelreiter kategorisch zurück. Die erwähnte Operation sowie die prä- und postoperative Pflege wurden nach allen Regeln der Kunst durchgeführt.»
Nicht das erste Mal
Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass besagter Chirurg in der Kritik steht. Épicène, einer in Genf ansässigen Organisation, die sich für die Rechte von Transgender-Personen einsetzt, wurden zwei weitere Fälle von Phalloplastiken mit unbefriedigenden Ergebnissen gemeldet, die in der Schweiz von demselben Chirurgen durchgeführt wurden. Ein Patient musste wegen schwerer Harnwegsproblemen sogar notfallmässig ins Spital eingeliefert werden.
Épicène erstaunt vor allem das Alter des Chirurgen. Dieser war zum Zeitpunkt der Operation 79 Jahre alt. Eine Altersgrenze für Chirurgen gibt es im Kanton Waadt allerdings nicht. Ärzte über 78 Jahre müssen aber ein persönliches Gespräch mit dem Kantonsarzt wahrnehmen. Das hat der betroffene Chirurg im Jahr 2023 auch getan, wie das Kantonsarztamt gegenüber Blick erklärt.
Um doch noch den gewünschten Penis zu bekommen, geht Gary Poppelreiter schlussendlich für eine zweite Phalloplastik nach Serbien. Insgesamt hat er fünf Jahre auf ein zufriedenstellendes Ergebnis gewartet und 215'000 Euro bezahlt. Aber er sagt: «Wenn ich es noch einmal tun müsste, würde ich es ohne zu zögern wieder machen. Es war, als wäre ich im Jahr 2024 neu geboren worden.»