Dank ihr hat der Kreml-Chef ewige Macht
Das ominöse Leben von Putins Spitzenjuristin in Montreux

Talija Chabriewa kennt in der Schweiz kaum jemand. In Russland ist sie berühmt-berüchtigt. Dank ihr hat Putin so viel Macht, wie er will. Nun zeigen Recherchen: Chabriewa in Montreux ein Luxus-Appartement – und eine Spitzenposition in einer Schule
Publiziert: 31.08.2022 um 11:03 Uhr
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Aktualisiert: 31.08.2022 um 12:27 Uhr
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Talija Chabriewa ist eine russische Spitzenjuristin. Dank ihr kann Wladimir Putin noch viele Jahre regieren.
Foto: Wikipedia/Duma.gov.ru

Montreux hat die Reichen und Berühmten schon immer angezogen. Kaiserin Elisabeth «Sisi» von Österreich (1837–1898) lebte hier, die Schriftsteller Ernest Hemingway (1899–1961) und Leo Tolstoi (1828–1910) sowie Queen-Sänger Freddie Mercury (1946–1991) ebenso. Talija Chabriewa (64) geht unter solchen Namen unter. Sie ist zwar ebenfalls reich. Aber nicht berühmt. Jedenfalls nicht in der Schweiz. Das dürfte ihr mehr als recht sein.

In Russland hat sie dafür gesorgt, dass die Demokratie beerdigt wurde. Sie ist als Co-Leiterin einer Taskforce nicht nur dafür verantwortlich, dass Wladimir Putin (69) Exekutive, Legislative und Judikative auf sich vereint, sondern auf ewig an der Macht bleiben kann. Ihren Wohnsitz hat sie in Montreux, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.

Putin kann noch 14 Jahre weiter regieren

Chabriewa ist eine absolute Spitzenjuristin. Mehrmals als «Juristin des Jahres» ausgezeichnet, galt sie bald einmal als Spezialistin für Verfassungsrecht. Zu Putin muss sie ein ausgezeichnetes Verhältnis gehabt haben. Als sie vom Diktator im Januar 2020 damit beauftragt wurde, die russische Verfassung grundlegend zu verändern, tat sie dies ganz in seinem Sinn.

Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, hat sie mit einigen juristischen Kniffs dafür gesorgt, dass der Kreml-Chef theoretisch bis 2036 im Amt bleiben kann. Normalerweise wären nur zwei Amtszeiten von je vier Jahren erlaubt.

Putin aber führt das Land bereits seit dem Jahr 2000 – unterbrochen durch vier Jahre seines Lakaien Dmitri Medwedew (56). Für diese monumentale Veränderung brauchte Chabriewa laut Bericht nur ein halbes Jahr. Danach wurde die Verfassungsänderung vom Parlament und anschliessend durch ein Referendum bestätigt.

Allein Immobilien übersteigen Familienvermögen deutlich

Für ihre Dienste wurde sie offenbar gut bezahlt. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, hat die Oppositionspartei Jabloko ihre Immobilien gezählt. In Moskau soll ihr eine Luxusvilla im Wert von umgerechnet rund 6 Millionen Franken gehören. Das Appartement in Montreux soll rund 1,6 Millionen Franken gekostet haben und 118 Quadratmeter gross sein.

Nichts, was sich eine Juristin und ein Sportmanager – ihr Mann ist Ramil Chabriew, der bis 2015 die russische Antidopingagentur Rusada leitete – von ihrem Gehalt leisten könnten. Chabriewa habe den russischen Steuerbehörden für die vergangenen acht Jahre insgesamt ein Familieneinkommen von umgerechnet 3,2 Millionen Franken angegeben. Als die russische Oppositionspartei diese Informationen an den Generalstaatsanwalt weiterleiteten, tat dieser nichts.

Chabriewa stehe Putin so nahe, dass sie in Russland von keinem Gericht geprüft werde, sagt ein Mitglied der Partei dem «Tages-Anzeiger». Er verlangt, dass die internationale Gemeinschaft gegen sie ermittelt. Chabriewa gehöre zu den Hauptarchitekten von Putins Verfassungsänderung, die seine lebenslange Herrschaft und den Rückzug der Demokratie in Russland sicherstellen, wird das Parteimitglied zitiert. «Zudem verteidigte sie die Annexion der Krim und andere Verbrechen des Putin-Regimes.»

Bund hat Schule nicht anerkannt

Chabriewa hat es sich in Montreux gemütlich gemacht. Sie ist laut Bericht auch wissenschaftliche Leiterin der privaten Akademie «Beringoff International Academy for Law». Für 15'000 Franken pro Semester werde dort in einer dreijährigen Ausbildung «die internationale Elite in internationalem Recht trainiert», heisst es auf der Webseite.

Die Hälfte der Ausbildung findet in der Schweiz statt, die andere in Russland. Allerdings führt die Adresse auf der Webseite nicht zur Beringoff-Akademie, sondern zu einer anderen Privatschule namens «International Academy Montreux», die sich ebenfalls in russischen Händen befindet, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt.

Wie oft Chabriewa in Montreux weilt, ist nicht bekannt. Am 23. Februar, einen Tag vor Beginn der Ukraine-Invasion, soll sie aber dort gewesen sein. Damals habe gerade das Schweizer Modul der Beringoff-Akademie begonnen, wie aus einer Medienmitteilung ersichtlich wird. Von der Schule selber ist allerdings nichts zu erfahren, eine Anfrage bleibt unbeantwortet. Die Medienstelle des Kantons Waadt teilte der Zeitung zudem mit, dass die «Beringoff International Academy of Law» eine private Hochschule sei, «die weder auf Bundesebene noch vom Bildungsdepartment anerkannt ist».

Unklar bleibt, ob Chabriewa eine Schweizer Aufenthaltsbewilligung hat. Chabriewa steht laut Bericht auf keinen Sanktionslisten. (vof)

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