Die Aussicht für Forrest (25) und Lake Schorderet (22) ist fantastisch: Die Brüder aus dem Kanton Freiburg stehen mit ihren Skiern in der Region St-Luc im Walliser Val d’Anniviers abseits der Pisten. Der Himmel ist blau, vor ihnen liegt ein Hang mit unberührtem Pulverschnee.
Doch was als traumhafte Abfahrt geplant war, endet in einem schier nicht enden wollenden Albtraum. Schon nach wenigen Metern Fahrt bricht unter den beiden Freeridern ein Schneebrett los. Während Forrest blitzschnell reagiert und zur Seite abdreht, wird Lake Schorderet von den Schneemassen mitgerissen. Er hat keine Chance, wird innert weniger Sekunden komplett verschüttet.
Bewusstlos und vom Schnee verschüttet
Was jetzt beginnt, ist ein gnadenloser Wettlauf gegen die Zeit. Zusammen mit zwei Freunden, die ebenfalls bei der Abfahrt dabei sein sollten, sucht Forrest Schorderet nach seinem Bruder. Immer wieder ruft er verzweifelt «Il est où Lake?» («Wo ist Lake?») Jede Sekunde fühlt sich nun wie eine Ewigkeit an.
Dank des Lawinensuchgeräts kann Lake Schorderet nach rund zwei Minuten geortet werden. Zuerst schaut nur ein Handschuh aus dem Schnee, dann kann der Freerider Stück für Stück befreit werden. Schorderet hatte seinen Schutzengel mit dabei auf der Abfahrt. In der Lawine war er nur kurz bewusstlos, kommt schliesslich aber rasch wieder zu sich.
«Das war ein Fehler»
Das ganze Drama wird von den Helmkameras der beiden Brüder komplett aufgezeichnet. Passiert ist das am vergangenen Samstag. Am Montag lädt Forrest Schorderet das zusammengeschnittene Video auf Instagram hoch. Warum aber zeigt er der ganzen Welt den Schock-Moment, bei dem er um ein Haar seinen Bruder verloren hätte? «Der Zweck des Videos ist, vor den Gefahren zu warnen», schreibt er als Kommentar zu dem Video. Mittlerweile wurde das schon über 600'000 Mal angeschaut.
Das Erlebte ist beiden eine Lehre. Im Interview mit dem Sender «RTS» sagt Forrest Schorderet: «Wir haben die Risiken falsch eingeschätzt. Bei Gefahrenstufe 3 hätten wir dort nicht fahren dürfen. Das war ein Fehler.» Und sein Bruder fügt an: «Ich habe ein zweites Leben bekommen, eine zweite Chance. Das weiss ich extrem zu schätzen.»
Dauereinsatz für Rettungskräfte im Wallis
Lake und Forrest Schorderet sind nicht die einzigen, die in diesen Tagen die Lage in den Bergen offenbar falsch eingeschätzt haben. Im Wallis standen die Rettungskräfte vergangenes Wochenende im Dauereinsatz. Das schöne Wetter und die vermeintlich perfekten Bedingungen zogen viele Alpinisten und Freerider an. Die Helfer von Air Glaciers und Air Zermatt wurden insgesamt zu rund 80 Einsätzen aufgeboten.
Nicht immer konnten die Verunglückten dabei gerettet werden. Am Wochenende starben im Wallis drei Personen nach Lawinenniedergängen – darunter ein erst 17-jähriger Freerider (†17). Und am Mittwoch mussten die Organisatoren des beliebten Seaside-Festivals in Spiez BE mitteilen, dass ihr Mit-Gründer Sacha Altermatt (†42) am Dienstag ebenfalls im Wallis bei einer Tour tödlich verunglückt ist. (cat)