«Frauen sollten mindestens 60 Prozent arbeiten»
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Vorsorge-Professorin:«Frauen sollten mindestens 60 Prozent arbeiten»

Vorsorge-Professorin Kerstin Windhövel (49) rät Frauen
«Heiraten Sie, sobald Kinder da sind!»

Frauen stehen im Alter schlecht da. Das zeigt die aktuelle AHV-Debatte. Die Vorsorge-Professorin Kerstin Windhövel (49) sagt im Interview, worauf Frauen achten sollten, damit sie nicht in die Altersarmut rutschen.
Publiziert: 23.09.2022 um 09:58 Uhr
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Aktualisiert: 23.09.2022 um 10:00 Uhr
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Frauen stehen im Alter finanziell schlechter da als Männer. Kerstin Windhövel sagt: «Das Thema Altersvorsorge ist für viele genauso unsexy wie die Steuererklärung.» Kennen Frauen aber die Zusammenhänge, können sie besser verhandeln.
Foto: STEFAN BOHRER
Interview: Rebecca Wyss

Frauen, aufgepasst: Dieses Wochenende stimmen wir über die AHV ab. Doch eigentlich gehts bei der Debatte um mehr: um die finanzielle Absicherung im Alter. Was können Frauen tun, damit sie später keine bösen Überraschungen erleben? Kerstin Windhövel (49), Professorin für Vorsorge an der Kalaidos Fachhochschule in Zürich, gibt Antwort.

Blick: Frau Windhövel, die aktuelle Debatte zeigt: Frauen bekommen über alles gesehen 34 Prozent weniger Rente als Männer. Doch vielen ist das nicht bewusst, das Thema ist ihnen zu kompliziert. Verstehen Sie das?
Kerstin Windhövel:
Das Thema Altersvorsorge ist für viele genauso unsexy wie die Steuererklärung. Man muss aber bei beidem nicht alles bis ins letzte Detail verstehen. Die Zusammenhänge sind wichtig. So können Frauen viel besser verhandeln.

Knien wir uns also rein: Worauf sollten Frauen achten?
Zuerst einmal: Nicht unter 70 Prozent arbeiten.

Alt-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (66) hat diese Aussage in einem Interview der «NZZ am Sonntag» einen Shitstorm eingebracht.
Aber sie hat recht! Jede Frau, die ihr Pensum massiv reduziert oder ganz aus dem Arbeitsleben aussteigt, muss damit rechnen, dass sie nach einer Trennung vor der Altersarmut steht. Und zweitens: Schauen Sie die Pensionskasse Ihres Arbeitgebers an, bevor Sie den Vertrag unterzeichnen.

Was heisst das?
Ein guter Arbeitgeber legt den Koordinationsabzug proportional zum Pensum fest. Viele tun das aber nicht.

Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle – das bedeutet es

Der Koordinationsabzug, aktuell 25'095 Franken, wird vom Jahreseinkommen abgezogen. Was übrig bleibt, wandert in den Topf der Pensionskasse (PK). Wenigverdienerinnen und -verdiener haben im Alter eine niedrigere PK-Rente. Und Löhne, die die Eintrittsschwelle von 21'510 Franken unterschreiten, sind nicht in der PK versichert. Die Pensionskassen-Reform, die im Parlament hängig ist, will beides nun so anpassen, damit Wenigverdiener im Alter gut leben.

Der Koordinationsabzug, aktuell 25'095 Franken, wird vom Jahreseinkommen abgezogen. Was übrig bleibt, wandert in den Topf der Pensionskasse (PK). Wenigverdienerinnen und -verdiener haben im Alter eine niedrigere PK-Rente. Und Löhne, die die Eintrittsschwelle von 21'510 Franken unterschreiten, sind nicht in der PK versichert. Die Pensionskassen-Reform, die im Parlament hängig ist, will beides nun so anpassen, damit Wenigverdiener im Alter gut leben.

Was bedeutet das für eine Frau? Sagen wir, sie arbeitet lange Vollzeit, verdient 75'000 Franken und reduziert dann mit dem ersten Kind ihr Pensum auf 50 Prozent.
Halbiert sie ihr Pensum, verdient sie 37'500 Franken und nur rund 12'500 Franken davon sind in der Pensionskasse versichert, da laut Gesetz der Koordinationsabzug immer voll abgezogen werden darf. Das muss aber nicht sein. Wenn der Arbeitgeber den Abzug proportional an das Pensum der Frau anpasst, werden nur 50 Prozent davon, also gut 12'500 Franken, abgezogen. Ihr versicherter Lohn ist in dem Fall mit etwa 25'000 Franken merklich höher – das rechnet sich über die Jahre.

Wie können Frauen das beeinflussen?
Sie sollten sich beim zweiten Vorstellungsgespräch das Reglement und den Anschlussvertrag der Pensionskasse zeigen lassen. Dort steht, wie es mit dem Koordinationsabzug geregelt ist. Wenn sie in Verhandlungen mit mehreren Unternehmen stehen, sollten sie das bevorzugen, das sie besser absichert.

Was können eigentlich die Männer tun, damit ihre Frauen besser dastehen?
Der Mann könnte die Vorsorge seiner Partnerin mitfinanzieren. Er kann zum Beispiel in die dritte Säule der Frau einzahlen. Sprechen Sie darüber!

Konkubinat oder Hochzeit – was ist für die Frau finanziell besser?
Ich rate: Heiraten Sie, sobald Kinder da sind.

Das ist entgegen dem Zeitgeist.
So ist nun mal das Schweizer Recht. Nur Verheiratete haben Anspruch auf eine Witwenrente aus der ersten Säule. Und im Fall einer Trennung gilt für die zweite Säule: War man verheiratet, werden beide Pensionskassenguthaben angeschaut, wenn der Mann mehr eingebracht hat, was oft so ist, muss er ihr die Hälfte davon abgeben. Bei einem Konkubinat kriegt sie gar nichts. Gerade wenn sie über viele Jahre lang viel weniger verdient hat als er, ist das für ihre Altersvorsorge der Super-GAU.

Und wenn man trotzdem das Konkubinat bevorzugt?
Schieben Sie das Thema nicht auf die lange Bank. Melden Sie Ihren Konkubinatspartner frühzeitig bei Ihrer Kasse als solchen an. Stirbt er, ist dies oft ähnlich geregelt wie bei einer Ehe: Man hat zumindest dort dann einen Anspruch auf eine Hinterlassenenrente.

Was müsste sich politisch in Bezug auf die Altersvorsorge ändern, damit die Frauen besser gestellt werden?
Man sollte den Koordinationsabzug und die Eintrittsschwelle (siehe Kasten) dringend abschaffen. Das käme vielen Frauen in Minipensen oder mit kleinen Löhnen zugute. Und dann sollten viele Frauen umdenken: Selbständigkeit der Frau heisst auch Erwerbstätigkeit der Frau. Wer über längere Zeit die alte Rollenverteilung lebt, zahlt später mitunter einen hohen Preis.

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