Tatiana Lyubeshkina (48), ihre Tochter Anna (16) und Katze Klyaksa hatten sich in der Schweiz gut eingelebt. Nach ihrer Flucht aus der Ukraine lernte Tatiana innerhalb kürzester Zeit Deutsch und trat eine Stelle als Kellnerin an; Tochter Anna besuchte die Schule in Volketswil ZH. Mit ihren Gasteltern – begeisterte Motorradfahrer – unternahmen die beiden Frauen Touren durch die ganze Schweiz: Gotthard, San Bernardino, Klausenpass.
Doch Tatiana hat die Schweiz verlassen. Im März dieses Jahres packte sie ihre Koffer und reiste von Volketswil in ihre Heimat. Zurück nach Irpin.
Eingestürzte Dächer, verkohlte Wände
Irpin – jene Vorstadt von Kiew, die im Februar 2022 zum Kriegsschauplatz wurde. In jenen Tagen, als die russischen Panzerkolonnen auf Kiew vorrückten und Fliehende erschossen, Häuser bombardierten, Zivilisten folterten. Tausende flohen.
Der Krieg in der Ukraine
Noch heute, Monate nach der Rückeroberung, sind die Spuren der Zerstörung in Irpin sichtbar. Das Haus von Tatiana Lyubeshkinas Nachbarn ist nicht mehr bewohnbar. Ihr eigenes steht noch. «Als ich im Frühling zurückkam, blühten im Garten bereits die Blumen», erinnert sie sich. Auch Tomaten und Gurken hat sie wieder angepflanzt.
Im Juni kehrten 1000 Ukrainer zurück
Tatiana Lyubeshkina ist eine von vielen Ukrainerinnen, die die Schweiz jeden Monat verlassen. Wie Zahlen des Staatssekretariats für Migration zeigen, wurde der Schutzstatus S im Mai und Juni in jeweils rund tausend Fällen beendet. Gleichzeitig kamen im Mai und Juni rund 1300 Flüchtlinge neu in der Schweiz an. Seit Februar ist die Anzahl Personen mit S-Status in etwa gleich geblieben und liegt bei rund 65’000.
Der Exodus Richtung Ukraine ist ziemlich erstaunlich. Schliesslich ist der Krieg weiterhin in vollem Gange. Wie erklärt sich die hohe Anzahl Rückkehrer? Julia Peters (39), Gründerin des Vereins Good Friends for Ukraine, sagt: «Viele wollen nicht länger von ihren Ehemännern und Familien getrennt leben.» Doch auch ältere Menschen reisten teils zurück. «Manche sind von ihren Kindern zur Flucht überredet worden. Hier sprechen sie die Sprache nicht und langweilen sich.»
Laut Peters spielt auch die Herkunft eine Rolle: Personen aus Kiew oder aus dem Westen kehrten häufiger zurück. Dort sei die Situation weniger schlimm als anderswo – selbst wenn sie prekär bleibt.
Lieber zu Hause als in der Fremde
«Die Leute fühlen sich in ihrer gewohnten Umgebung wohler», stellt Peters fest. «Gewisse sehen für sich auch bessere Perspektiven in der Ukraine.» Denn wer kein Deutsch oder Englisch spricht, hat hierzulande höchstens Chancen auf einen schlecht bezahlten Job.
Für Tatiana Lyubeshkina war die Rückkehr der richtige Entscheid. «Hier habe ich mein Haus, meine Freunde, eine gute Arbeit.»
In Irpin ist sie in ihrem angestammten Beruf als Event-Organisatorin tätig; einmal pro Woche engagiert sie sich als Freiwillige. Sie sammelt Kleider, Geld und Medikamente für Menschen in zerstörten Städten. «Ich will mein Land und meine Landsleute unterstützen», sagt Lyubeshkina. «Mein Herz ist hier.»
Unruhige Nächte
Aber natürlich ist nicht alles gut. Der Krieg dauert an, das Bombardement von Zivilisten geht weiter. In den ersten zwei Monaten nach ihrer Rückkehr schlief Lyubeshkina im Gang. «Jedes Mal, wenn ich auf dem Handy einen Raketenalarm sah, setzte mein Herz eine Sekunde aus.» Inzwischen schläft sie – meistens – im Schlafzimmer. Doch die Angst vor Raketenangriffen ist nicht verschwunden. «Man kommt nie richtig zur Ruhe.»
Tochter Anna war bis Ende Juli in der Schweiz geblieben, um das Schuljahr zu beenden. Im September wird sie ein Studium in England beginnen. «Für mich ist es okay, hier zu leben», sagt Mutter Tatiana. «Aber für meine Tochter möchte ich das nicht.»
Von Rumänien in die Schweiz
Die Sorgen um ihr Kind bewegten auch Yulia Tkachenko (38) zur Flucht, wie sie bei einem Treffen in Uster ZH erzählt. Die Ukrainerin schlug gewissermassen den umgekehrten Weg ein und erreichte die Schweiz im März 2023. Zuvor hatte sie mit ihrem Sohn Kiril (4) und ihrer Mutter Galina (65) sieben Monate als Geflüchtete in Rumänien gelebt. «Eine schreckliche Erfahrung», sagt Tkachenko.
In einem ländlichen Teil Rumäniens wurden die drei in einem Hotel im Wald untergebracht. Der Hotelbesitzer habe regelmässig Saufabende mit seinen Kumpanen organisiert und die Ukrainerinnen, die bei ihm als Flüchtlinge untergebracht waren, zur Teilnahme gedrängt. «Ich bin nie hingegangen und hatte Angst, dass er uns deswegen herausschmeissen würde», sagt Yulia Tkachenko.
«Sie haben ihm wehgetan»
Dann wurde auch noch ihr Sohn krank – Lungenentzündung. «Die Ärzte in Rumänien waren schlimm», so Tkachenko. «Sie haben meinem Sohn wehgetan, haben ihn festgehalten; er heulte und schrie.» In ihrer Not rief die junge Mutter Verwandte an und fragte sie, in welchem Land es eine gute medizinische Versorgung gebe. Die Schweiz, meinten diese.
Yulia Tkachenko packte ihre Sachen. Kaum in der Schweiz ging sie mit ihrem Sohn zum Arzt. «Er hat uns mit Respekt und Freundlichkeit behandelt», sagt Tkachenko und kann für einen Moment nicht weiterreden. Sie beginnt zu weinen. «Hier konnte ich mich sicher fühlen.» Ihr Sohn sei jetzt wieder gesund, sagt sie und wischt sich die Tränen ab. «Nach den Ferien beginnt er mit dem Kindergarten.»
Ein Neuanfang
In Dnipro hatte Yulia Tkachenko Modeschauen und Fotoshootings für eine Modelagentur organisiert, in Uster besucht sie momentan einen Deutschkurs. «Ich bin bereit, wieder bei null anzufangen.»
Wie Yulia Tkachenko suchen auch andere Ukrainerinnen weiterhin Schutz in der Schweiz. Julia Peters vom Verein Good Friends for Ukraine sagt: «Manche kommen, weil ihre Region erst jetzt stark angegriffen wurde. Andere fürchten, erneut einen Winter ohne Heizung überleben zu müssen.» Viele mehr würden gerne fliehen, hätten aber keine Kraft dazu.
Hoffen auf ein baldiges Ende
Der nächste Winter macht auch Tatiana Lyubeshkina in Irpin Sorgen. Sie hofft, dass der Krieg im Herbst zu Ende ist. «Etwas anderes will ich mir gar nicht vorstellen.»
Nach Kriegsende möchte sie Europa bereisen. Dabei werde sie auch ihre «wunderbare Gastfamilie» besuchen, die sie damals so sehr unterstützt habe. Für die Hilfsbereitschaft sei sie der Schweiz und den Schweizern unendlich dankbar. Sie habe, sagt Tatiana Lyubeshkina, jetzt zwei Familien. «Eine in der Ukraine – und eine in der Schweiz.»
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