Tödlicher Banden-Krieg in der Romandie – eine verzweifelte Mutter packt aus
«Mein Sohn ist mir entglitten»

Sie sind blutjung, teilweise noch minderjährig – und ziemlich kriminell. In der Romandie tobt zwischen zwei rivalisierenden Gangs ein Banden-Krieg, der bereits Tote gefordert hat. Doch nun scheint das harte Durchgreifen der Behörden endlich Früchte zu tragen.
Publiziert: 29.07.2023 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 29.07.2023 um 14:14 Uhr
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November 2020: Hier starb Armin F. (†15).
Foto: Luisa Ita
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Luisa ItaRedaktorin «Food»

Sie hassen sich bis aufs Blut: Die Gangs «47» und «2CZ». Die seit 2019 andauernde Rivalität gipfelte am 26. September 2021 in einer Tragödie: Ein Kongolese (†20) aus La Chaux-de-Fonds NE ist bei einer Schlägerei in Lausanne VD ums Leben gekommen.

Es ist nicht der erste Todesfall: Schon im November 2020 liess ein Jugendlicher, Blick nannte ihn damals Armin F.* (†15), mutmasslich im Rahmen dieses Banden-Krieges sein Leben. In Sugiez FR wurde der 15-Jährige aus La Chaux-de-Fonds von einem Zug erfasst. Laut Westschweizer Medienberichten hatten sich die Rivalen damals an dem Bahnhof verabredet, um «ihre Rechnungen zu begleichen». Auf Anfrage von Blick stritt eine Angehörige von Armin F. jedoch den Zusammenhang mit dem Banden-Krieg ab.

Happige Vorwürfe

«47» und «2CZ»: Die Namen der beiden Gruppen sind auf Postleitzahlen zurückzuführen. 47 ist die Summe der ersten zwei Ziffern der Postleitzahlen von La Chaux-de-Fonds und Le Locle NE (2300 und 2400). «2CZ» steht für «deux cinq zéro», den Anfang der Postleitzahl von Biel (2500).

Erst kürzlich machte Blick publik, dass die Staatsanwaltschaft zwölf Jugendliche an das Gericht verweist hat: Manche von ihnen sitzen gar hinter Gittern, es drohen teils mehrjährige Haftstrafen. Es geht etwa um Todesdrohungen mit einem 20 bis 30 Zentimeter langen Säbel und einer Pistole im Nacken. Um Entführung, Freiheitsberaubung, Schüsse aus einer Schreckschusspistole, illegalen Waffenbesitz und weitere Delikte. Blick liegen Auszüge aus den Anklageschriften exklusiv vor. Ein Gerichtstermin steht noch nicht fest.

«Ich habe meinen Sohn seit zwei Jahren nicht mehr gesehen»

Ein Besuch in der Romandie fördert Überraschendes zutage: Um den Banden-Krieg scheint es ruhig geworden zu sein. «Ich wohne in Biel und habe noch nie von dieser Bande gehört», meint eine junge Passantin.

Die Mutter eines Beschuldigten aus Biel BE bricht dann aber das Schweigen. «Ich habe meinen Sohn seit zwei Jahren nicht mehr gesehen», erzählt die Afrikanerin. «Die letzte Zeit war sehr schwierig mit ihm. Er hat sich plötzlich komplett verändert, wurde aggressiv und hat hier in der Wohnung eine Tür zertrümmert. Er ist dann vor der Tat zu seinem Vater gezogen.»

Sie schüttelt traurig den Kopf. «Ich wusste schon, dass er in so einer Gang ist. Aber ich dachte, das sei harmlos. Erst als ich die Gerichtsunterlagen gelesen habe, wurde mir bewusst, worin mein Sohn da involviert war. Er ist mir völlig entglitten», erzählt sie weiter. «Im Moment ist er in einer Institution im Wallis, unterdessen ist er volljährig. Aber ich weiss nicht, wie es ihm geht und wie es genau mit ihm weiter geht.»

Die Szene hüllt sich in Schweigen

In La Chaux-de-Fonds spricht Blick mit einem Jugendlichen. Er kennt mehrere beschuldigte Gang-Mitglieder und sagt zum Banden-Krieg: «Es ist vorbei.» Er behauptet von sich, nie Teil der «47» gewesen zu sein. Er streitet jedoch generell die Existenz der Gangs ab: «Das findet alles nur im Internet und in den Medien statt.»

Auch in einem anderen Wohnquartier von La Chaux-de-Fonds, in welchem gemäss Blick-Informationen mindestens ein Gang-Mitglied daheim ist, spürt man nichts mehr von einem tobenden Banden-Krieg. «Das Thema war sehr aktuell vor etwa einem Jahr», sagt eine Frau, die gerade mit mehreren Freundinnen auf der Strasse plaudert. «Mittlerweile sind alle verhaftet, es ist ruhig geworden.»

Blick klingelt in Neuenburg NE bei einem der Jugendlichen, dessen Name in der Anklageschrift genannt wird. Seine Mutter öffnet die Tür und fragt schliesslich ihren Sohn, ob er reden möchte – doch die Tür schliesst sich kommentarlos. Es scheint also tatsächlich, als ob das harte Durchgreifen der Strafverfolgungsbehörden im Westschweizer Banden-Krieg Früchte trägt.

* Name geändert

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