Am Set des Filmes «Rust» ist es vergangene Woche zu einem tödlichen Unfall gekommen. Schauspieler Alec Baldwin (63) erschoss mit einer Requisitenwaffe aus Versehen die Kamerafrau Halyna Hutchins (†42) – auch der Regisseur wurde verletzt. Es ist noch unklar, wie es zu diesem Vorfall gekommen und was auf dem Filmset alles schief gelaufen ist. Die Untersuchung dazu ist im Gange. Bisher wird aber nicht gegen den Hollywoodstar ermittelt.
Wäre das in der Schweiz auch der Fall? Wer würde haftbar gemacht? Und was würde den Schuldigen drohen? «Im Schweizer Recht unterscheiden wir zwischen strafrechtlicher und zivilrechtlicher Haftung», sagt Andreas Meili, Anwalt und Experte für Medienrecht, zu Blick. Strafrechtlich könnten etwa die Schauspieler und oder die Waffenexperten oder andere beteiligte Personen am Set belangt werden. Zivilrechtlich haftet die Produktionsfirma.
Um die Sachlage strafrechtlich zu erklären, macht Meili ein Gedankenspiel. Es geht so: «Man zielt nie mit einer Waffe auf andere Personen. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Darum stellt sich im Schweizer Recht die Frage, ob es sich bei dem tödlichen Unfall um eine fahrlässige Tötung handelt. Hierbei müssen wir zwischen Grobfahrlässigkeit und leichter Fahrlässigkeit unterscheiden.»
Vorwurf der leichten Fahrlässigkeit
Die Grobfahrlässigkeit veranschaulicht Meili mit der Frage «Wie hat jemand das nur tun können?»; die leichte Fahrlässigkeit mit der Aussage «Das hätte er schon nicht tun sollen!».
Einer Schauspielerin, einem Schauspieler könnte gemäss Meili maximal eine leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden («Er/sie hätte das nicht tun sollen»). «Ich tendiere in diesem Fall dazu, dass es nicht reicht für eine Bestrafung, ein Schauspieler, eine Schauspielerin ist ja nicht für die Präparation der Waffen zuständig und vertraut darauf, dass die Waffe sicher beziehungsweise ungeladen ist», sagt Meili.
Es drohen bis zu drei Jahre Knast
Bei Waffenexperten oder Regieassistenten am Set sehe es ein bisschen anders aus. Bei ihnen stelle sich laut Meili die Frage nach Grobfahrlässigkeit. Denn sie wären dafür verantwortlich, dass die Waffen richtig vorbereitet, ungeladen und gesichert werden. «Diejenigen, die eine Gefahrenquelle schaffen, haben die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Schäden anderer zu verhindern», begründet er sein Fazit.
Würden sie schuldig gesprochen, würde ihnen nach Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe drohen.
Die Produktionsfirma wiederum haftet zivilrechtlich. Meili zu Blick: «Sie muss gemäss Obligationenrecht für den Schaden haften, den ihre Arbeitnehmenden in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtung verursacht haben.»
Schadenersatz und Genugtuung
Die Produktionsfirma müsste dann Schadenersatz und eine Genugtuung für den seelischen Schmerz der Geschädigten bezahlen. «Der Betrag für die Genugtuung bewegt sich um die 100’000 Franken bei einer Tötung und ein paar 10’000 Franken bei einer Körperverletzung», so der Anwalt. Das sei nicht so viel, sagt er. In der Schweiz sei man diesbezüglich relativ zurückhaltend. Anders als etwa in den USA, wo zum Teil noch Strafzuschläge hinzukommen würden, wodurch die Beträge ins Astronomische steigen könnten.
«Die Produktionsfirma kann sich aber von der Haftung befreien, wenn sie beweisen kann, dass sie alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt zur Vermeidung eines schädigenden Eingriffs aufgewendet hat», erklärt der Jurist. Die Produktionsfirma könne auf diejenigen, die den Schaden gestiftet haben, auch Rückgriff nehmen, dann müssten die bezahlen, die den Schaden verursacht haben.
Schuss-Panne bei Schweizer Filmdreh
Auch in der Schweiz gab es bereits einen Zwischenfall mit Waffen an einem Film-Set: 2020 wurde in der Boomerang-Bar in Rapperswil-Jona SG ein Film gedreht. Dabei wurde ein Schuss aus einer Schreckschusswaffe abgegeben. Drei Statisten wurden verletzt und mussten ins Spital gebracht werden. Der Vorfall wurde von der Kantonspolizei St. Gallen untersucht.
Bislang wird zwar nicht gegen Baldwin ermittelt, dennoch gehen Anwälte in den USA von einer Anklage aus. «Ich erwarte eine Anklage durch die zuständige Staatsanwaltschaft», sagt etwa der New Yorker Promi-Anwalt Edward Hayes zu «Bild». Sollte der Hollywoodstar wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht müssen, könnte er bis zu 18 Monate hinter Gitter kommen.