Diese Hausmittel helfen gegen Wespen
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Tipps bei Insekten-Plage:Diese Hausmittel helfen gegen Wespen

Tieranwalt fordert Uno-Konvention für Tiere
«Sie haben das Recht, eine Wespe zu töten»

Antoine F. Goetschel fordert eine Uno-Konvention, um das Wohl der Tiere zu verbessern – und statt strenger Pelzverbote befürwortet er tierfreundliche Finanzanlagen.
Publiziert: 07.08.2022 um 00:49 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2022 um 08:41 Uhr
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Tieranwalt Antoine F. Goetschel isst kein Fleisch: «Man kann nicht Ja zum Produkt sagen und Nein zur Produktion.»
Foto: zvg
Interview: Peter Aeschlimann

SonntagsBlick: Wespen nerven. Herr Goetschel, Sie sind Tieranwalt. Wie würden Sie die Plagegeister vor Gericht verteidigen?
Antoine F. Goetschel: Wespen erfüllen ihre tierischen Bedürfnisse: Sie wollen sich ernähren und fortpflanzen. Insekten besitzen zwar eine Würde – aber keine Wirbel. Deshalb gilt für sie das Tierschutzgesetz nicht. Das gibt jedem das Recht, eine Wespe zu töten. Mir käme das allerdings nie in den Sinn. Wespen haben einen Lebensanspruch. Nach dem juristischen Grundsatz der Verhältnismässigkeit sind schonende Vertreibungsmassnahmen angebracht.

Was ist mit der Mücke, die nachts um Ihren Kopf schwirrt?
Die irritiert höchstens. Wird man gestochen, hilft das Auftragen einer Lavendeltinktur, und der Juckreiz ist weg. Ich gestehe allerdings, dass auch ich schon die eine oder andere Mücke, die mich beim Schlafen gestört hat, zu töten versucht habe.

Ist es beim Versuch geblieben?
Danach war es auf jeden Fall ruhig. Vielleicht habe ich sie vertrieben.

Apropos Jagd: Im Wallis hat ein Jäger einen «falschen» Wolf geschossen.
Der Abschuss eines nicht zur Tötung freigegebenen Tiers gilt als Straftatbestand und gehört geahndet. Es würde mich überraschen, wenn man das als Kavaliersdelikt unter den Tisch kehrt. Selbstverständlich muss ein Verfahren eingeleitet werden. Sonst wäre das ganze Prozedere vergeblich!

Kampf für Tierrechte

Der Zürcher Rechtsanwalt Antoine F. Goetschel (64) ist Gründer und Präsident des Vereins Global Animal Law, der eine Uno-Konvention zum Tierschutz fordert. Der Verein folgt dem Prinzip «One Health» – eine Gesundheit: Damit die Erde gesunden kann, bedarf es eines Zusammenlebens von gesunden Menschen und Tieren. Der internationale Berater für das Tier im Recht und in der Ethik hat zahlreiche Bücher und Aufsätze zum Thema Mensch-Tierbeziehung verfasst.

Der Zürcher Rechtsanwalt Antoine F. Goetschel (64) ist Gründer und Präsident des Vereins Global Animal Law, der eine Uno-Konvention zum Tierschutz fordert. Der Verein folgt dem Prinzip «One Health» – eine Gesundheit: Damit die Erde gesunden kann, bedarf es eines Zusammenlebens von gesunden Menschen und Tieren. Der internationale Berater für das Tier im Recht und in der Ethik hat zahlreiche Bücher und Aufsätze zum Thema Mensch-Tierbeziehung verfasst.

Was ist mit den gerissenen Schafen?
Tragisch, natürlich. Finanziell erleiden die Bauern aber kaum Schaden, die meisten Fälle sind von der Versicherung abgedeckt. Überhaupt: Rache als Motiv ist nicht zeitgemäss und Lynchjustiz verboten. Doch genau dies wird mit fürchterlichen Bildern von gerissenen Nutztieren in den Medien getriggert. Dabei sind wir in Sachen Wolf gut unterwegs. Wir schützen die Nutztiere angemessen und stellen dem Raubtier Lebensraum zur Verfügung. Deshalb ist es umso lästiger, wenn einige wenige Jäger den Konsens unterlaufen und – mit einem Grinsen im Gesicht – auf alles schiessen, was nach Wolf aussieht. Es spottet der Anstrengungen jener, die eine Lösung suchen. Das ist rechtsstaatlich bedenklich.

Im September stimmen wir über die Massentierhaltungs-Initiative ab. Die jüngsten Umfragen prophezeien ein wuchtiges Nein. Was läuft schief?
Der Tierschutz klammert sich teils an ideologische Ziele und hat das Gespür dafür verloren, wie die Gesellschaft tickt. Die Gesetzgebung folgt immer dem Mainstream. Und in diesen unsicheren Zeiten gilt leider mehr denn je: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.

«Wir haben schon die schärfsten Tierschutzgesetze weltweit»
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Bauer aus Zürich:«Haben schon die schärfsten Tierschutzgesetze weltweit»

Sie klingen wenig hoffnungsvoll.
Jede Initiative, die dem Tier einen Nutzen bringt, soll man unterstützen. Che Guevara sagte: «Seien wir realistisch, verlangen wir das Unmögliche!» Aber leider kann man von jenen, die das Problem aufzeigen, selten eine Lösung erwarten. Das Problem ist: Lehnt das Volk die Massentierhaltungs-Initiative ab, wird der Status quo zementiert. Das ist frustrierend.

Was schlagen Sie vor?
Wir müssen für tierliche Anliegen die Mehrheit an Bord holen und dafür allenfalls mit den Zielen etwas runter.

Wie soll das geschehen?
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Argumente für und gegen die Jagd liegen seit Jahrhunderten auf dem Tisch. Bei einem Vortrag vor 300 Jägern sagte ich: Es geht um die Linderung von unnötigem Leid, um die problematische Nachsuche, die falsche Munition, das unsägliche «Trophy Hunting». Wenn die Jäger das überwinden, können sie gemeinsam mit uns den Tierschutz und die Tiergesundheit fördern. Dann wären sie glaubwürdig – und hätten langfristig etwas von der Jagd. Denn wenn es so weitergeht, haben sie bald nichts mehr zu jagen.

Der Bundesrat lehnt die Massentierhaltungs-Initiative ab. Er sagt, die Schweiz sei in Sachen Tierschutz gut aufgestellt.
Ich bin stolz darauf, in einem Land zu leben, das die Würde des Tiers in die Verfassung geschrieben hat. Die Schweiz mit ihrem enormen geistigen und finanziellen Kapital hat die Verpflichtung, die Würde der Kreatur weltweit zu verteidigen. Unser Verein, Global Animal Law (GAL), fordert genau das: eine Uno-Konvention, die das Wohl und die Gesundheit der Tiere auf dem ganzen Planeten fördert.

Das Anliegen dürfte einen schweren Stand haben.
Es gibt enorme wirtschaftliche Interessen an der Tiernutzung. Dort setzen wir an: Fleisch darf weiterhin produziert werden, einfach anständiger. Mehr Auslauf, weniger Antibiotika, tiefere Schlachtfrequenzen. Dafür braucht es dringend tierfreundliche Finanzanlagen: Ein brasilianischer Fleischproduzent etwa bekäme einen Haufen Geld, wenn er sich an diese Kriterien hält. Er würde vielleicht sagen: Die spinnen, die Schweizer – aber er macht es.

Viele Vermögende investieren nicht in den Tierschutz, sie tragen Pelz.
Pelztragen sei eine Gewissensfrage, hiess es in den 80er-Jahren. Intellektuell und emotional hat sich diese Argumentation totgelaufen. Man erreicht die Pelzträger damit nicht mehr. Im Gegenteil – je intensiver die Kampagne dagegen, umso mehr finden die Trägerinnen und Träger: Das geht mir an der Nase vorbei, ich bekenne mich zu dieser politischen Inkorrektheit. Gründliche Tierwohl-Projekte benötigen aber auch das Geld dieser Leute! Also sollen sie zum Beispiel zertifizierten, aus besonders tierfreundlicher Haltung stammenden Pelz tragen, der nicht unter erbärmlichsten Bedingungen produziert wurde. Und dafür ins Tierwohl investieren.

Woher diese plötzliche Milde?
Sie liegt in meiner Ungeduld begründet. Wir kommen in Sachen Tierschutz nicht vorwärts. Der Fleischkonsum wird weltweit zunehmen, der Markt scheint nicht besonders interessiert an noch mehr tierfreundlichen Produkten. Tierschutz ist kein Nachhaltigkeitsziel der Uno. Die Frage nach der Mensch-Tier-Beziehung aber ist gesellschaftlich relevant. Ich will nicht in ideologischen Grabenkämpfen verharren, sondern lieber Teil der Lösung sein. Für unsere Spezies ist das überlebensnotwendig. Finden wir nämlich keine Antworten, fahren wir gegen die Wand.

Wie meinen Sie das?
Betrachten Sie die letzten Jahre! Die Verdinglichung der Kreatur und ihre Unterjochung führten zur Massentierhaltung, zu Zuständen wie auf dem berühmt-berüchtigten Wildtiermarkt von Wuhan, wo das Coronavirus seinen Ursprung gehabt haben soll. Hätte die Würde des Tiers global einen höheren Stellenwert, wäre uns die Pandemie vielleicht erspart geblieben.

Gibt es in der Natur also so etwas wie eine höhere Gerechtigkeit?
Die Natur ist weder gut noch böse, schrieb im 17. Jahrhundert Baruch de Spinoza. Der niederländische Philosoph war Linsenschleifer und kritisierte unsere enge Sichtweise. Die Abläufe in der Natur sind dermassen sublim und viel grösser, als dass sie der Mensch je in ihrer Gesamtheit erfassen kann. Was wir jedoch ahnen können: Es gibt Mechanismen in der Natur, die dafür sorgen, dass früher oder später das Gleichgewicht wiederhergestellt wird.

Es heisst, wer Tiere kenne, schütze sie.
Der Spruch steht vermutlich in jedem Zoo. Er ist nachweislich falsch. Die Basler haben einen schönen Zolli – trotzdem haben sie an der Urne die Initiative für Grundrechte für Menschenaffen abgeschmettert. Zoos funktionieren mit ihren Zuchtprogrammen allenfalls als Artenschutzorganisationen, damit sie weiterhin Tiere ausstellen können. Als schlagkräftige Institutionen, die zum Beispiel dafür sorgen könnten, dass es weltweit Tieranwälte gibt, sind sie nicht glaubwürdig.

Als im Zoo Zürich jüngst drei Elefanten am Herpesvirus verstarben, war die Anteilnahme gross. Das Leiden der Masthühner hingegen kümmert wenige. Woher kommt diese Diskrepanz?
Unser Verhältnis zum Tier ist paradox und komplex. Es ist menschlich, sich gewissen Tieren näher zu fühlen, die mit uns in Resonanz treten und uns an eigene Verhaltensweisen erinnern. Deshalb hat mir die Antwort des Zürcher Zoo-Direktors Severin Dressen so gefallen auf die Frage, welches denn sein Lieblingstier sei. Es ist der Nacktmull.

Sie tragen Lederschuhe, haben Sie kein schlechtes Gewissen?
Ich trage die Schuhe seit Jahrzehnten, bringe sie immer wieder zum Schuhmacher. Ich esse kein Fleisch und keinen Fisch. Für den Genuss eines Schinkensandwiches möchte ich nicht Hand bieten, dass ein Tier stirbt. Man kann nicht Ja zum Produkt und Nein zur Produktion sagen. Die Reduktion der Tierdebatte auf die Frage, ob jemand vegan sei, halte ich allerdings für fragwürdig. Es blockiert die Diskussion fürs Wesentliche: die Anerkennung der Würde des Tiers, des Tierwohls und des One-Health-Prinzips auf der ganzen Welt. Das wäre wichtiger als der Verzehr von Gummifleisch.

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