Ein paar «Chügeli», Vitamin D und C – und schon ist Corona passé. Ein Artikel in der deutschen Zeitschrift «Natur&Heilen» lässt aufhorchen. Darin schildert der Mediziner Jens Wurster, wie er Corona-Patienten in seiner Praxis in Locarno «erfolgreich» mittels Homöopathie helfen konnte. Insgesamt sieben Fälle stellt der Arzt vor.
Die Homöopathie wirkte laut dem Artikel wahre Wunder. Sogar bei einem Risikopatienten (76) mit etlichen Vorerkrankungen. Der Mann habe hohes Fieber gehabt und starken Druck auf der Lunge verspürt – das Atmen sei ihm schwer gefallen.
Wurster verschrieb dem Mann aber nur das homöopathische Mittel Bryonia. Dazu Vitamin C und D in hohen Dosen, plus Zink. Und schliesslich das Präparat «Flu Immune». Ein wilder Cocktail, um das Immunsystem anzukurbeln. Die Folge laut dem Artikel: Der Zustand des Risikopatienten habe sich schlagartig gebessert. Die Geschichte endet mit dem Anruf der Frau des Patienten, die sich für den Einsatz von Wurster bedankt. Ihre Worte: «Es ist ein Wunder, was da passiert ist!».
«Es wurden keine schulmedizinischen Medikamente von mir dazugegeben»
Das Resümee von Wurster ist klar: Die Homöopathie wirkt – und wie. «Von meinen Patienten konnte ich schätzungsweise 80 Prozent erfolgreich mit Bryonia behandeln, etliche weitere mit Phosphorus. Schwere Fälle habe ich mit Lachesis, Arsenicum album oder Carbo vegetabilis therapiert», schreibt der Arzt am Ende seines Artikels.
Die meisten seiner Patienten mit Corona wurden rein homöopathisch behandelt. «Es wurden keine schulmedizinischen Medikamente von mir dazugegeben», sagt Jens Wurster zu BLICK. Nur ein paar Nahrungsergänzungsmittel bekamen seine Patienten verschrieben – zusätzlich zu den homöopathischen Präparaten.
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Mit seinem Artikel wollte er zeigen, was mit einer guten homöopathischen Behandlung möglich ist. «Bisher gibt es noch keine offizielle wirksame Therapie gegen Coronaviren, deswegen ist es besonders wertvoll, wenn wir von geheilten Fällen aus aller Welt lernen können», ist der Mediziner überzeugt. Trotz seiner positiven Erfahrungen: Das Spital in Locarno setzt lieber auf die Schulmedizin.
Behandelt auch Krebspatienten mit «Chügeli»
Wurster ist übrigens kein Unbekannter. Jahrelang behandelte er in der Tessiner Klinik Santa Croce Krebspatienten mit homöopathischen Mitteln. Vor zwei Jahren sorgte der Fall von Alina B.* für Negativ-Schlagzeilen. Die Deutsche litt an Brustkrebs. Eine Chemo- oder Strahlentherapie lehnte sie ab. Sie setzte stattdessen voll auf die Homöopathie, glaubte, dass die Globuli ihren Krebs heilen würden. Ihr Arzt: Jens Wurster.
Doch ihr Zustand wurde nicht besser. Im Gegenteil. Es wurde immer schlimmer. Also entschied sie sich doch noch für eine Chemotherapie, aber zu spät. Alina B. starb. Der Tessiner Homöopath war sich damals keiner Schuld bewusst. «Ob ein Patient gesund wird, hängt aber von vielen Faktoren ab», sagte er damals zu BLICK.
Kein wissenschaftlich relevanter Beitrag
Nun sollen die «Chügeli» also gegen Corona helfen. Doch ob dem wirklich so ist, sieht Andreas Cerny (64), Virologe am Corona-Referenzspital Moncucco in Lugano TI, kritisch. Er rät seinen Patienten davon ab, sich allein von Homöopathen behandeln zu lassen. Cerny zu BLICK: «Der Artikel enthält meiner Meinung nach keinen wissenschaftlich relevanten Beitrag zur Verbesserung der bestehenden Behandlungen von Covid-19.»
Grundsätzlich steht Cerny der Homöopathie positiv gegenüber. «Es ist eine der Behandlungsformen, welche durch die Komplementärmedizin-Krankenversicherung entschädigt wird und welche vor allem bei verschiedenen Befindlichkeitsstörungen helfen kann.»
Allerdings: Viruserkrankungen allein mit «Chügeli» zu behandeln, dafür gebe es keinen vernünftigen Grund. Denn auch der Artikel von Jens Wurster liefere keinen wissenschaftlich stichhaltigen Nachweis. «Wir können aufgrund dieser Publikation nicht sagen, ob Homöopathie nützt oder schadet oder gar nichts bewirkt.» Das heisst, am Ende ist es bei der Homöopathie wie immer: eine Glaubensfrage.
* Name geändert