Massimo Perucchi (54) schaut zufrieden von der Terrasse seines Hotels La Meridiana. Es ist Markt auf der Piazza von Ascona TI. Menschen schieben sich an den bunten Ständen vorbei. Sie sitzen im Schatten der Platanen, essen Glace oder trinken Espresso. Das babyblaue Touristen-Bähnchen bahnt sich seinen Weg im Schritttempo durch die Fussgängerzone. Es ist Ende August. Und noch immer strömen Touristen in die Sonnenstube.
So einen Sommer habe er noch nie erlebt, sagt der Tessiner Hotelier, «von Ende März bis heute sind wir mit 98 Prozent Auslastung durchgehend ausgebucht». Als Vizepräsident von Hotelleriesuisse Ticino weiss Massimo Perucchi: «Auch andere Hotels rechnen in diesem Jahr mit einem Umsatz-Plus von 20 bis 30 Prozent zum Vorjahr.» Und das sei ja schon sehr gut gewesen. «Im ersten Pandemie-Sommer begann die Saison mit zwei Monaten Verspätung, dieses Jahr aber hatten alle bereits zu Ostern auf.»
Pandemie sorgt für positive Überraschungen
Für die Tessiner Tourismusbranche steckt die Pandemie voller positiver Überraschungen. «Im März 2020 hatten wir grosse Sorgen, erwarteten für den Sommer wegen des Lockdowns Umsatzeinbussen von 80 Prozent», erinnert sich Perucchi, «doch es kam ganz anders.» 97 Prozent der Gäste seien damals Schweizer Touristen gewesen. «Dieses Jahr kehrten auch die Deutschen und andere Ausländer zurück ins Tessin», sagt Perucchi, «die Touristen kamen sogar bei schlechtem Wetter. Wir haben ein Riesenglück!»
Das kann auch Simone Patelli (46) bestätigen. Der Tessiner leitet den grössten Campingplatz am Lago Maggiore. «Normalerweise haben wir Schwankungen in unseren Buchungen. Doch dieses Jahr waren wir fast immer voll belegt», sagt der Präsident des Tessiner Camping-Verbands, «selbst während der Unwetter, die auch Schäden auf unserem Platz anrichteten, reiste kaum jemand ab.»
«Das habe ich in 20 Jahren noch nicht erlebt»
Selbst vielen Grotti konnte der Dauerregen im Juli nichts anhaben. «Wir haben trotz der Gewitter insgesamt doppelt so viele Gäste wie im Sommer 2020», sagt Stefan Buess (44) vom Grotto al Ritrovo im Val Resa TI.
Fabio Bonetti (55) ist seit 20 Jahren Direktor von Ascona-Locarno-Tourismus. «Die vergangenen Monate April, Mai, Juni liefen alle genauso gut wie der Monat Juli im Jahr 2019. So etwas habe ich noch nicht erlebt.»
Rückkehr der arabischen Touristen
Auch in Lugano TI reibt man sich die Augen. «Früher waren 60 Prozent meiner Gäste Geschäftsleute», sagt Lorenzo Pianezzi (40), Besitzer des Hotels Zurigo Downtown. «Geschäfts- und Kongressreisen brachen zwar ein, aber wir haben heute 100 Prozent Freizeittouristen.» Der Präsident von Hotelleriesuisse Ticino beobachtet in diesem Jahr auch die Rückkehr der Touristen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Laut dem Bundesamt für Statistik stieg im ersten Halbjahr 2021 die Zahl der Gäste um 160 Prozent zum Vorjahreszeitraum, die Zahl der Übernachtungen um 173 Prozent. Die Kurve wird für den Rest der Saison weiter ansteigen, davon sind die Tessiner Touristiker überzeugt. Fabio Bonetti: «Wir rechnen auch mit einem sehr guten Herbst.» Massimo Perucchi jedoch warnt vor Freudentaumel: «Die Gewinne müssen nun investiert werden, damit wir die vielen Gäste auch noch nach der Pandemie ins Tessin locken können.»