Noch im April sah die Zukunft düster aus. Das Virus wütete im Tessin. Es herrschte der Lockdown. Besonders betroffen im Höhepunkt der Pandemie: die Gastronomie. Optimistisch entwarfen Claudia und Gianluca Cuppone ein Corona-Konzept für ihr Grotto Cà Nostra in Brione s. Minusio TI. Sie hoffen, die Saison irgendwie zu überleben (BLICK berichtete). Doch das, was dann folgt, hätte sich das Wirte-Ehepaar nie erträumen lassen.
«Ende Mai ging es los», sagt Wirtin Claudia Cuppone. Die Touristen waren wieder da und strömten nonstop auf ihre Terrasse. «Es gab Abende, da standen die Gäste Schlange bis hoch zur Strasse», sagt sie weiter. «Das war der Wahnsinn. Wir haben so ein Glück!» Und: Es ist auch eine Riesenchance.
Denn, so stellt die Grotto-Wirtin fest: «Es sind viele Touristen dabei, die zum ersten Mal im Tessin sind. Viele kommen aus der Romandie, natürlich auch aus der Deutschschweiz. Wir müssen sie von unserer Region überzeugen, damit sie wiederkommen.»
Grotti haben Mühe, Personal zu finden
Auch das Grotto al Ritrovo im Val Resa wird von Gästen förmlich überrollt. «Wir brauchten noch Leute für die Küche, für den Service und den Bar-Betrieb. Doch man fand niemanden mehr für die Saison», sagt Wirt Stefan Buess (44). Noch im Lockdown dachte der Zürcher, das Grotto allein mit seiner Frau zu führen. Illusorisch, wie sich schnell herausstellte.
«Zum Tag der Öffnung, am 21. Mai, hatte ich eigentlich für die Woche samt Wochenende eingekauft», erzählt Stefan Buess. Doch: «Bereits um 11 Uhr kamen die ersten Gäste. Am nächsten Tag war alles aufgebraucht. Ich musste erneut los!» Seither kann sich das Grotto mit Seeblick kaum vor Reservierungsanfragen retten. «Es sind Hunderte am Tag. Wir mussten einen Anrufbeantworter einschalten und nehmen Reservierungen vor allem online an», sagt der Gastronom. «Ja, wir sind schon Tage im Voraus komplett ausgebucht.»
Gutschein von 25 Franken für den Restaurant-Besuch
Auch Paolo Annis (63) reibt sich die Hände und krempelt die Ärmel hoch. Auf dem Grill zischen die Costine. «Wir schliessen die Küche gar nicht erst mehr», sagt der Wirt des Grotto Madonna della Fontana in Ascona TI. «Sogar am Nachmittag wollen die Leute essen.» Darunter auch Tessiner, sagt Annis. «Dass sie kommen, liegt auch an der tollen Hilfe von Gemeinde und Kanton.» Die bieten jedem Einheimischen einen Gutschein von 25 Franken, um die örtliche Gastronomie zu unterstützen.
Das Grotto Broggini in Losone TI ist die Tessiner Güggeli-Hochburg. «Bis zu 350 Gäste haben wir nun an einem Abend, 50 davon Kinder», sagt Celeste Piffero (57). Der Geschäftsführer des Broggini ist hochzufrieden mit den Jahrhundert-Monaten Juni und Juli. Da würden schon mal über 200 Grill-Güggeli an einem Abend bestellt. Und dies, obwohl es in diesem Jahr keine grossen Events gibt wie das Filmfestival oder das Moon & Stars.
Viele junge Leute, kaum Senioren
«Bei uns ging der Betrieb ab wie eine Rakete», sagt Christian Zingg (58) vom Grotto Pozzasc im Maggiatal. «Es kommen viele junge Leute, Familien und Pärchen.» Senioren seien eher selten. Der Grotto-Wirt tritt ein bisschen auf die Euphorie-Bremse: «Wir sorgen uns ein wenig um den Herbst, wenn die Schulferien vorüber sind.»
Auch Claudia Cuppone vom Cà Nostra bleibt trotz aller Begeisterung vorsichtig. «Ein infizierter Gast reicht, und du musst sofort wieder schliessen.» Ob die Super-Saison die Verluste vom Lockdown auffängt, könne man erst am Jahresende sehen.
Massimo Suter (49), Präsident von Gastro Ticino, bestätigt den Grotto-Boom: «Touristische Betriebe, vor allem die Terrassen-Lokale und Restaurants am See laufen super. Das liegt natürlich auch am tollen Wetter.»