Bei diesen Telegram-Aktivisten ist die Empörung so gross, wie das Leseverständnis klein ist. Diese Woche kursierte in einschlägigen Kanälen die Aufforderung, eine «Drag Story Time» am Wildwuchs-Festival in Basel am 2. Juni zu stören. Die Drag-Lesungen für Kinder seien «perverse Propaganda», heisst es da. Dazu die Aufforderung, für eine «Mahnwache» an den Ort der Veranstaltung zu reisen.
Doof nur für die Aktivisten: Sie haben sich im Jahr geirrt. Die Lesung ging bereits vor zwei Jahren über die Bühne – und steht für diesen Juni gar nicht auf dem Programm.
Aktivisten haben Fehler bemerkt
Trotzdem wabert die Empörungswelle rund um die Veranstaltung weiter durch das Netz: «Ich bin mir sicher, dass es genügend Aufgeweckte gibt, denen kreative Ideen kommen, um Kinder vor dieser perfiden Agenda zu schützen», schreibt jemand.
Andere Aktivisten haben in der Zwischenzeit selber einen Blick in ihre Agenda geworfen und gemerkt, dass die Veranstaltung schon 2021 stattfand. «Wir bitten um Verzeihung, wenn wir für Verwirrung gesorgt haben», heisst es in Berichtigungen.
Drag: Das neue Feindbild auf Telegram
Bei der Leitung des Wildwuchs-Festivals sorgt das Missverständnis für Erstaunen. Es wurde eine Krisensitzung einberufen. «Wir haben unser Sicherheitskonzept angepasst», heisst es auf Anfrage von Blick. Von den Telegram-Aktivisten habe sich bisher niemand direkt bei den Organisatoren gemeldet. «Es gab auch keinen Telefonterror oder Ähnliches.»
Erst letzte Woche sorgte der Protest gegen eine Drag-Lesung in der Zürcher Pestalozzi-Bibliothek für ein Polizeiaufgebot – und eine grosse Gegenkundgebung. Rund 150 Menschen solidarisierten sich mit den Veranstaltern und standen nur einer Handvoll Freiheitstrychlern gegenüber. Die Zürcher «Drag Story Time» verlief gemäss Bibliotheksleiter friedlich. Ein Drag King las den Kindern aus dem Buch «Kati will Grossvater werden» vor.