Hier wird ein Freiheitstrychler ausgebuht
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Vor Dragqueen-Lesung:Hier wird ein Freiheitstrychler ausgebuht

Rechte gegen «Drag Story Time»
Wenn der Besuch einer Lesung zum politischen Statement wird

Rechte Kreise wollten am Samstag in Oerlikon eine Vorlesestunde für Kinder verhindern. Hunderte solidarisierten sich mit den Veranstaltern.
Publiziert: 19.05.2023 um 16:17 Uhr
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Aktualisiert: 21.05.2023 um 17:46 Uhr
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Raphaël Portmann (23) versucht, tanzend die Gegner der «Drag Story Time» zu vertreiben.
Foto: Siggi Bucher
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Lisa AeschlimannReporterin & Blattmacherin

Es sind – gelinde gesagt – interessante Zeiten, wenn der Besuch einer Lesung zum politischen Statement wird.

Am Samstagmittag hielten rund 150 Sympathisantinnen und Sympathisanten vor der Pestalozzi-Bibliothek in Oerlikon Wache, eine Handvoll Freiheitstrychler stand ihnen gegenüber. Daniel Stricker, Corona-Skeptiker und selbsternannter Journalist, sendete live, etwa ein Dutzend Polizisten stand bereit.

Einige der Unterstützer hielten vor der Bibliothek einen Sitzstreik ab. Raphaël Portmann (23) versuchte die Gegner mit Tanz, Glitzer, Konfetti und Taylor Swift aus der Boombox zu vertreiben: «Ich finde es schrecklich, dass Neonazis und Schwurbler Kinderevents angreifen wollen.» Man sei hier, um den Kindern, die zur «Drag Story Time» gehen, ein schönes Erlebnis zu gewähren.

«Ich finde es schrecklich, dass Neonazis Kinderevents angreifen wollen»
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In der Bibliothek nahmen 70 Kinder und 50 Begleitpersonen an der «Drag Story Time» teil. Sechs Security-Leute flankierten den Eingang, bewachten die Fenster und beobachteten, was sich vor der Bibliothek tat. Es ist das erste Mal, dass Felix Hüppi für einen Event in seiner Bibliothek Sicherheitspersonal organisieren musste, wie er sagt: «Und hoffentlich auch das letzte Mal.» Im Vorfeld hatte er über 80 Mails mit Beschimpfungen erhalten.

Glarner zündelte schon 2019

Seinen Ursprung nahm das Ganze eine Woche zuvor. SVP-Politiker Andreas Glarner hetzte gegen einen geplanten Gendertag in Stäfa ZH und veröffentlichte die Handynummer der zuständigen Sozialarbeiterin, worauf die Schule wegen massiven Drohungen den Tag absagen musste. Der Gendertag ist Teil des Lehrplan 21 und war bisher unumstritten. Glarners nächstes Ziel, mit Schützenhilfe von Roger Köppel, war die «Drag Story Time», sein Mob stand auch diesmal bereit.

Glarner bleibt Glarner, aber in der Schweizer Öffentlichkeit hat sich etwas verändert. Als der SVPler 2019 die private Handynummer einer Zürcher Lehrerin ins Netz stellte, die im Elternbrief darauf hingewiesen hatte, dass muslimische Kinder während des Ramadan vom Unterricht dispensiert werden können, war die Empörung gross. Glarner musste sich fünf Tage später für seine Aktion entschuldigen.

Der neue rechte Kulturkampf

2023 aber schweigt die SVP. Lässt ihren Zündler gewähren, den Gewaltaufruf unkommentiert. Wahljahr. Wohin der neue rechte Kulturkampf führen kann, sieht man bereits in den USA: Der republikanische Gouverneur und Trump-Herausforderer Ron DeSantis hat diese Woche in Florida ein Gesetz unterzeichnet, das es dem Staat erlaubt, Trans-Kindern ihren Eltern wegzunehmen.

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Trotz der Zündeleien im Vorfeld, kam es am Samstag nicht zu Zwischenfällen. Die «Drag Story Time» verlief gemäss Bibliotheksleiter Hüppi friedlich, ein Drag King las aus dem Buch «Kati will Grossvater werden», es wurde gesungen, getanzt und sich verkleidet.

Von den rechten Scharfmachern erschien nur ein versprengter Trupp. Höhepunkt des «Protests» war ein einsamer Trychler, der seine Glocken schwang, von den Sympathisanten ausgebuht und von der Polizei zügig in Gewahrsam genommen wurde. Ansonsten musste diese nicht eingreifen.

200 Menschen waren indes gekommen, um ihre Solidarität in Form eines Sitzstreiks auszudrücken. 150 bildeten draussen einen Schutzwall gegen rechte Hetzer. Die «Drag Story Time» zeigt auch, wie gefühlte und tatsächliche Empörung bisweilen auseinanderklaffen.

Am Schluss, als die Freiheitstrychler schon abgereist sind, treten drei Personen auf den Balkon der Pestalozzi-Bibliothek, werfen Konfetti in die Menge und rufen: «We are here, we are queer». Die Menge jubelt. Und ruft mit.

Glarner zündelt, aber er zündet nicht. Fürs Erste.

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