Editorial über den allgemeinen Gender-Alarm
Was in Amerika passiert, passiert bald bei uns

Was in Stäfa, Oerlikon und anderswo geschieht, sind Vorboten einer unguten Entwicklung aus den USA.
Publiziert: 21.05.2023 um 08:59 Uhr
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Aktualisiert: 21.05.2023 um 13:46 Uhr
Reza Rafi, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Thomas Meier

Die heutige Jugend kann einem leidtun. In den Fünfzigerjahren reichte ein kecker Hüftschwung, um die Eltern zu schocken. In den Sechzigern war es bereits eine Provokation, wenn man im Stadtpark den Rasen betrat oder als Frau einen Mini trug. Dann gesellten sich Rockmusik, Drogen und freie Liebe dazu. In den Achtzigern gabs Punk, in den Neunzigern Techno.

Die Avantgarden von einst sind alt und träge geworden. Wie kann ein Teenager heute bloss aufbegehren? Kommunismus ist out, gesellschaftliche Tabubrüche bieten subventionierte Kulturbetriebe in allen Varianten. Den Kids der Generation Z bleibt zur Abgrenzung von den «Boomern», wie sie alle über 30 nennen, nur noch das Taktieren mit der sexuellen Identität. Auch wenn es seit jeher unfreiwillig Transsexuelle gibt – Sternchen sind in Mode.

Wie so oft ist uns auch da Amerika voraus. Längst wird dort ein gnadenloser Kulturkampf ausgetragen. Je mehr die LGBTQ-Community in den urbanen Zentren der Ost- und Westküste und an den Universitäten an Deutungsmacht gewonnen hat, umso heftiger erfolgt nun der Backlash. Bestens illustriert dies eine Szene in Lincoln, dem Hauptort des US-Bundesstaats Nebraska, von letzter Woche. Anhänger der Republikanischen Partei heben Schilder mit Sprüchen wie «Ich vertraue Jesus» empor und bejubeln einen Entscheid des Parlaments, das gerade die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes beschlossen hat – aber nicht nur: Künftig sind dort Geschlechtsumwandlungen für unter 19-Jährige verboten, der Zugang zu Hormontherapien und pubertätshemmenden Medikamenten wird eingeschränkt. Auch andere Bundesstaaten sind dabei: Montana warf eine Trans-Abgeordnete aus dem Parlament, Tennessee plant Dragshows zu verbieten.

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Dies sind Vorboten dessen, was in unseren Breitengraden erst noch bevorsteht. Davon zeugt die Polemik um den sogenannten Gendertag im zürcherischen Stäfa. Der freisinnige Stadtpräsident richtet im SonntagsBlick-Interview deutliche Worte an die Adresse der Einpeitscher und ihrer Claqueure, er unterstellt ihnen eine «Verschwörungstheorie». Ein weiteres Symptom des in die Schweiz schwappenden Konflikts sind Aktionen aus evangelikalen Kreisen, die gegen unliebsame «woke» Pfarrerinnen und Pfarrer mobilmachen. Erst gestern musste in Zürich-Oerlikon ein Lesenachmittag für Kinder unter Polizeischutz stattfinden.

Woher das plötzliche Bedürfnis kommt, dass ein Transvestit dem Nachwuchs Bücher wie «Kati will Grossvater werden» oder «Julian ist eine Meerjungfrau» vorliest, bleibt ein Geheimnis der Eltern.

Ob sich die Kleinen deswegen irgendeine «Genderideologie» verinnerlichen, wie es die Gegner befürchten, sei dahingestellt. Denkbar ist auch, dass die kommende Generation genau dagegen rebelliert.

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