Hanspeter Mischler (70) läuft über das Gelände des TCS-Campings in Gampelen BE und blickt über den langen Badesteg auf den Neuenburgersee. «Das ist ein Paradies!», ruft er wehmütig aus. Es ist Montagmorgen vor Ostern, Hanspeter und Doris Mischler (69) sind mit Schäferhündin Buffy (7) gekommen, um ihren Wohnwagen fit zu machen für den Saisonstart vom Wochenende. Das Ehepaar verbringt seine Ferien seit 28 Jahren hier. «Das ist unser zweites Zuhause», sagt er. «Hier haben unsere Kinder das Laufen, Schwimmen und Velofahren gelernt», sagt sie. Doch die 29. Saison wird die letzte sein. Der Campingplatz in Gampelen wird am 6. Oktober für immer dichtgemacht.
Kein durchkommen gegen Bundesamt für Umwelt und Umweltverbände
Das Areal liegt am östlichen Ende des Neuenburgersees mitten im Fanel, einem der bedeutendsten Naturschutzgebiete der Schweiz. Hier gibt es ein Wasser- und Zugvogelreservat, ein Auengebiet oder ein Flachmoor. Touristen haben hier keinen Platz mehr. Der Kanton Bern wollte den Vertrag mit dem Touring Club Schweiz (TCS) für den Camping 2018 dennoch bis 2050 verlängern. Doch Umweltverbände und das Bundesamt für Umwelt (Bafu) haben das vor dem Verwaltungsgericht verhindert. Der Camping ist nicht zonenkonform und muss daher weg.
Noch einen Sommer im Paradies also, dann ist Schluss. Die Mischlers stehen neben ihrem fahrbaren Daheim und wissen nicht so recht, wie sie ihre Gefühle ordnen sollen. «Ich habe mich gefreut, wieder hier zu sein, aber ich könnte auch weinen», sagt Doris Mischler. «Das alles hier zu verlieren, tut brutal weh.» Sie und ihr Mann haben die letzten sechs Jahre zusammen mit anderen Camperinnen, der Gemeinde Gampelen und bürgerlichen Kantonspolitikern alles versucht, um den Camping doch noch zu retten. Hanspeter Mischler ist Präsident der Interessengemeinschaft (IG) Camping Gampelen, die sich mit den grossen Umweltverbänden, dem Bund und vor allem dem Kanton angelegt hat. Sie hat die Berner Politik die letzten Jahre gehörig aufgemischt und damit national für Schlagzeilen gesorgt.
Zweitgrösster Campingplatz der Schweiz
Letztlich war die Bewilligung eines Campings in einer strikten Schutzzone aber mehr eine rechtliche als eine politische Frage. Und so brachte der Aufstand den aufmüpfigen Camperinnen zwar viele Sympathien, nicht aber den erhofften Erfolg. «Immerhin», sagt Doris Mischler, «haben wir es denen da oben nicht leicht gemacht.» Hanspeter Mischler nickt: «Die hatten sicher ein paar schlaflose Nächte.»
Das Gelände des Campings in Gampelen ist weitläufig: Es ist nach Tenero TI der zweitgrösste Campingplatz der Schweiz. Die Zeiten, als noch fast alle der 900 Stellplätze besetzt waren, sind jedoch vorbei. Seit sich abgezeichnet hat, dass die Rettung nicht mehr gelingen würde, haben immer mehr der einst 500 Dauermieter Unterschlupf auf einem anderen Camping gesucht und Gampelen verlassen. «Das war wie ein Exodus zuletzt», sagt Hanspeter Mischler.
Gemeinde Gampelen versucht ihr Bestes
Das Ehepaar Mischler bleibt bis zum letzten Tag. Hanspeter Mischler hat immer betont, er werde bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag für seinen Camping kämpfen und er betont das auch an diesem Montag wieder, wobei kämpfen jetzt vor allem noch bedeutet, zu hoffen. «Die Hoffnung stirbt zuletzt, Wunder können immer passieren», sagt er und lacht.
Die Hoffnungen ruhen vor allem auf der Gemeinde Gampelen: Sie kann das Aus zwar auch nicht verhindern, hat mit einer Planungszone aber dafür gesorgt, dass das Areal nicht sofort zurückgebaut und renaturiert werden kann. Gemeindepräsident Eric Dietrich will erreichen, dass das Gebiet für den Tourismus zugänglich bleibt, zum Beispiel mit einem Lehrpfad entlang des Wassers. Und auch einen Camping soll es wieder geben an einem anderen Standort auf dem Gemeindegebiet.
Schmerzhafter Verlust für den TCS
Dass der zweitgrösste Camping der Schweiz dichtgemacht wird, ist auch für den TCS einschneidend. Der grösste Campingbetreiber des Landes führt 26 Plätze mit gesamthaft 6200 Stellplätzen. Die knapp 900 wegfallenden Plätze tun vor allem auch deshalb weh, weil die Auslastung der Plätze in den letzten Jahren hoch war, Ferien auf dem Campingplatz liegen nach wie vor stark im Trend. Spontanes Campen am Wochenende ist an den beliebtesten Orten gar nicht mehr möglich, da die Plätze ausgebucht sind.
Während der Covid-Pandemie ist die Zahl der Logiernächte zwischen 2019 und 2021 sprunghaft von 3,8 auf 5,4 Millionen gestiegen. Zwar ging es 2022 wieder in die andere Richtung, der Knick war aber weit weniger gross als befürchtet. Die Logiernächte blieben 2022 mit 4,8 Millionen und gemäss provisorischen Zahlen auch 2023 mit 4,6 Millionen weit über dem Wert von vor Corona. «Die Campingplätze sind Nutzniesser der Klimaerwärmung. Die Menschen verbringen ihren Sommer vermehrt lieber hier, statt bei 42 Grad im Schatten in Spanien zu schwitzen», sagt Oliver Grützner (52), Leiter Tourismus und Freizeit beim TCS.
Ersatz zu finden ist schwierig
Fallen wie in Gampelen auf einen Schlag viele Stellplätze weg, lassen sich diese nicht einfach so ersetzen. Terrains, um neue Plätze zu bauen, gibt es kaum mehr. Doch nicht nur der Boden an bester Lage wird umkämpfter. «Auch die Vorgaben etwa zum Naturschutz werden immer strenger», sagt Grützner. «Das verhindert oder verzögert neue Campingplätze.» Umso wichtiger sei es deshalb, die bestehenden Campingplätze zu bewahren, sagt er.
Dass das nicht immer gelingt, zeigt sich nicht nur in Gampelen. Erst Ende der letzten Saison musste der Camping in Auslikon ZH geschlossen werden, weil er sich in einer Moorlandschaft befindet. Zwischen 2008 und 2022 hat die Zahl der Dauermieter und Passantenplätze in der Schweiz gemäss Daten des Bundesamts für Statistik um sieben Prozent abgenommen. Gleichzeitig haben die Übernachtungen um gut 40 Prozent zugelegt.
Doris und Hanspeter Mischler wissen noch nicht, ob sie nach dem Aus in Gampelen weiterhin campen werden. Vorerst bleibt ihnen ein letzter Sommer in ihrem Paradies. Auch wie im Oktober das Ende begangen wird, weiss das Ehepaar noch nicht.
Einige IG-Mitglieder hätten Protestaktionen gefordert, sagt Hanspeter Mischler, «sie haben vorgeschlagen, sich an Bäume zu ketten oder mit allen Wohnwagen in Bern vorzufahren». Als Präsident der IG habe er ihnen ins Gewissen geredet. «Wir kämpfen hart, aber so etwas machen wir nicht. Wir sind keine Klimakleber und keine Querulanten.» Doris Mischler pflichtet bei. Sie würden mit Anstand gehen, sagt sie. Alles aufräumen und sauber hinterlassen. «So, wie wir das die letzten 28 Jahre immer gemacht haben.»
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