Taskforce-Leiter Martin Ackermann (49)
«Wir haben es in der Hand, das Ruder herumzureissen»

Martin Ackermann (49) leitet die Corona-Taskforce des Bundes. Er plädiert für ein Umdenken.
Publiziert: 10.10.2020 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 11.10.2020 um 17:13 Uhr
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ETH-Professor Martin Ackermann leitet die Corona-Taskforce des Bundes.
Foto: keystone-sda.ch
Interview: Sven Ziegler

Herr Ackermann, diese Woche verzeichneten wir erstmals seit dem Ende des Lockdown mehr als 1000 Neuinfektionen pro Tag. Wie alarmierend ist die Situation?
Martin Ackermann:
Wir haben circa 30 Mal mehr positive Tests seit Juni. Der Trend ist ganz klar: Die Neuinfektionen steigen kontinuierlich an. Das beunruhigt mich. Die Hospitalisationen und Todesfälle sind deutlich tiefer als noch im Frühjahr. Das liegt daran, dass derzeit vor allem Jüngere infiziert sind, diese haben ein deutlich kleineres Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs. Allerdings beobachten wir jetzt, dass sich auch wieder Ältere anstecken. Das besorgt uns.

Das BAG hat am Freitag einen Wechsel bei der Kampagne angekündigt. Warum gerade jetzt?
Die Massnahmen des BAG vom Freitag sind wichtig. Mit der Änderung der Farbe ist allen klar, dass die Situation ernst ist. Viele Leute haben das Gefühl, man müsse eine Wahl zwischen Gesundheit und Wirtschaft treffen. Das stimmt aber nicht. Die Erholung von Gesundheit und Wirtschaft kann nur gleichzeitig stattfinden. Es wäre falsch, erst zu reagieren, wenn die Hospitalisationen anstiegen. Die Epidemie hätte sich dann schon so weit ausgebreitet, dass die Situation kaum mehr kontrollierbar wäre.

In der Bevölkerung scheint der Respekt vor dem Virus nicht mehr so gross zu sein wie noch vor einigen Monaten.
Die Leute nehmen die Pandemie nicht mehr gleich wahr wie noch im Frühling. Hygiene und Abstand halten ist nicht mehr so präsent wie noch vor einigen Monaten. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Noch haben wir es selbst in der Hand, das Ruder herumzureissen.

Wie erreicht man dieses Umdenken?
Entscheidend ist vor allem Kommunikation. Die Leute müssen wissen, was das Ziel ist und wie wir dieses Ziel erreichen können. Wenn sich das Virus unkontrolliert ausbreitet, kommt das Gesundheitssystem an den Anschlag und zeitgleich bricht die Wirtschaft ein. Das Ziel ist, dass die Bevölkerung möglichst grosse Freiheiten geniesst und gleichzeitig die Massnahmen eingehalten werden.

Was braucht es dafür?
Mein Appell ist: Wir müssen zusammenarbeiten. Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir alle ein Ziel verfolgen, welches wir nur gemeinsam erreichen können. Ich, sie, wir alle müssen uns überlegen, was wir noch tun können, um dabei zu helfen, dass die Fallzahlen wieder sinken: Momentan ist nicht der richtige Zeitpunkt, um ein privates Fest zu organisieren. Es braucht also wieder einen neuen Ruck, der durch die Bevölkerung geht.

Die Reaktionen innerhalb der Bevölkerung sind sehr unterschiedlich. Manche interessieren sich kaum mehr für die Massnahmen, während andere praktisch einen privaten Lockdown verordnen. Was ist der richtige Weg?
Es ist wichtig, dass man den Leuten die Angst nehmen kann. Gleichzeitig verstehen manche Leute nicht mehr, weshalb die Massnahmen in ihrem eigenen Interesse sind. Für jemanden, der selten ausgeht, ist es unverständlich, dass andere weiterhin in den Ausgang wollen. Entscheidend ist, dass wir alle miteinander eine weitere Ausbreitung verhindern können. Wenn die Fallzahlen wieder tiefer sind, werden wieder mehr Dinge möglich, wir können wieder Konzerte besuchen oder in den Ausgang gehen. Wir haben es in der Hand.

Was braucht die Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern?
Die Schweiz hat ihre Massnahmen sehr schnell gelockert – hier braucht es immer wieder Anpassungen. Besondere Vorsicht ist in Innenräumen angebracht – die Ansteckungsraten sind dort besonders hoch. Eine Maskentragpflicht in Innenräumen, beispielsweise in Einkaufszentren, macht sicherlich Sinn.

Was passiert, wenn das System mit der Kontaktrückverfolgung nicht mehr aufrechterhalten werden kann?
Wenn wir die Kontakte nicht mehr zurückverfolgen können, können wir auch nicht mehr gezielt in die Infektionsketten eingreifen. Dann braucht es einschneidende und flächendeckende Massnahmen und genau das wollen wir verhindern.

Wäre ein Appell vom Bundesrat sinnvoll?
Es ist entscheidend, dass die Leute aus erster Hand hören, was passiert. Nur das stärkt den Gemeinschaftssinn. Kommunikation ist ein entscheidender Faktor, die Leute müssen wissen, was das Ziel ist. Es ist wichtig, dass sich der Bundesrat klar äussert.

Ab wann kann die Bevölkerung mit einer Art Normalität rechnen?
Wir erwarten, dass wir im nächsten Jahr schrittweise in eine Normalität übergehen können. In wenigen Monaten sollten wir erste Resultate haben zu möglichen Impfstoffen. Danach dürften die ersten Impfungen gemacht werden, es wäre der erste Schritt auf dem Weg zurück zu einer gewissen Normalität.

Was ist Ihr persönlicher Appell an die Bevölkerung?
Die Gebiete, die stark betroffen waren, haben ein viel stärkeres Bewusstsein für die Bedrohung durch das Virus. Wir in der Deutschschweiz waren nicht so stark betroffen. Viele Länder in Europa machen derzeit eine schwierige Situation durch – unser Ziel muss sein, dass wir in der Schweiz nicht die gleiche Entwicklung durchmachen wie in anderen Ländern. Aktuell haben wir es noch selber in der Hand: Wenn wir bewusst und verantwortungsvoll handeln, uns vielleicht auch mal freiwillig einschränken, dann können wir verhindern, dass mittelfristig noch viel stärkere Einschränkungen auf uns zukommen.

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