Das Coronavirus greift auch in der Schweiz immer schneller um sich. Doch Contact-Tracer können die vielerorts schnell steigenden Fallzahlen offenbar nicht länger bewältigen. Die Ansteckungsketten lassen nicht mehr verlässlich unterbrechen. Das meldet die «SonntagsZeitung».
Demnach funktioniert Contact-Tracing auch im bevölkerungsreichsten Kanton Zürich nicht länger, wie es solllte. Das Tracer-Team ist derart überlastet, dass Infektionsfälle ihre möglicherweise angesteckten Kontaktpersonen selber zu alarmieren und in Quarantäne zu schicken haben. Das bestätigte Lina Lanz, Sprecherin der Zürcher Gesundheitsdirektion: «Die Indexfälle informieren ihre Kontaktpersonen und wirken so aktiv mit.»
Damit haben die Zürcher Contact-Tracer den Überblick und die Kontrolle über das Infektionsgeschehen verloren. Eine Garantie, dass die Infektionsketten unterbrochen werden können, gibt es nicht mehr. Inzwischen häufen sich Fälle, bei denen das Tracing versagte und möglicherweise Angesteckte nicht informiert wurden.
Gesundheitsdirektion widerspricht Anschuldigungen
Der Kanton hält dagegen, widerspricht den Anschuldigungen in einer Mitteilung vehement. Die Gesundheitsdirektion Zürich betont: Das Contact Tracing funktioniert. Offenbar würden viele davon ausgehen, dass das Contact Tracing nur per Telefon erfolge. Doch das sei ein Irrglaube.
«Der Ansatz der Gesundheitsdirektion ist es, alle Indexfälle und Kontaktpersonen mittels SMS und E-Mail zu informieren. Mit den Indexfällen führt das Contact Tracing Team auch bei diesen hohen Fallzahlen noch Telefongespräche, die zu einem grossen Teil nach wie vor in 24 Stunden getätigt werden können», wehrt sich der Kanton Zürich.
Damit würde die positiv getesteten Personen innert kürzester Zeit die für sie relevanten Informationen erhalten. Das Fazit der Gesundheitsdirektion: «Die allermeisten Zürcherinnen und Zürcher zeigen Verständnis und wirken gut mit.»
Durchseuchung um jeden Preis vermeiden
Weitere Kantone hätten ebenfalls Probleme mit dem Contact Tracing, wie die SonntagsZeitung» berichtet. Demnach seien vielerorts nur 10 bis 20 Prozent der neu angesteckten Personen zum Zeitpunkt des positiven Tests bereits in Quarantäne gesetzt worden. Laut der Berner Epidemiologin Nicola Low müsste die Rate jener, die schon in Quarantäne sind, wenn ihre Infektion bestätigt wird, auf 80 Prozent erhöht werden, um die Ansteckungsketten zu unterbrechen.
Experten fordern Kantone dazu auf, notwendige Massnahmen zu ergreifen, um eine zweite Welle zu verhindern. Auch wenn Contact-Tracing mangelhaft funktioniere, sei es noch immer besser als die Alternative, wird Marcel Tanner zitiert, Epidemiologe und Mitglied der wissenschaftlichen Covid-Taskforce des Bundes: «Weder ein Lockdown noch eine Durchseuchung dürfen jetzt als Lösung gesehen werden, das wäre wirtschaftlich und sozial fatal.» (kes/jmh)