SVP-Nationalrätin und Wirtin Esther Friedli klagt über Zertifikatspflicht
«Uns erreichen fast täglich Stornierungen»

Der Bundesrat forciere die Impfkampagne auf dem Buckel der Betriebe, kritisiert SVP-Parlamentarierin Esther Friedli.
Publiziert: 12.09.2021 um 16:22 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2021 um 08:16 Uhr
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Esther Friedli in ihrem Haus der Freiheit in Ebnat-Kappel SG.
Foto: Thomas Meier
Interview: Simon Marti

Frau Friedli, ab Montag müssen die Wirte die Zertifikate ihrer Gäste kontrollieren. Setzt die Branche die Massnahme auch um?
Esther Friedli: Ja, wir Wirte werden dazu schlicht genötigt. In einem städtischen Gourmetrestaurant mag das kein Problem sein, auf dem Land, mit einem grossen Stammpublikum und tiefer Impfquote, ist es etwas anders.

Wie bereiten Sie sich vor?
Ich stehe sorgenvoll vor der nächsten Woche. Unter unseren Stammgästen sind viele ältere und zum Teil Alleinstehende, viele bis jetzt nicht geimpft, weil sie nur wenige Kontakte haben. Für die sind wir «Familie» und sozialer Treffpunkt. Wir werden daher auf der Terrasse wieder ein Zelt aufstellen. Aber wird das Wetter schlecht, wird es auch dort ungemütlich.

Sie sitzen im Vorstand des Branchenverbandes Gastrosuisse. Wie gross schätzen Sie den Aufwand für die Restaurants ein?
Gastrosuisse hat den Betrieben bereits angepasste Schutzkonzepte zugestellt. Sorge macht mir nicht primär der erhöhte Aufwand, sondern dass wir, anstatt Gäste zu begrüssen und zu bewirten, jetzt Polizist spielen müssen. Dafür sind unsere Leute nicht ausgebildet. Ich höre daher von ersten Betrieben, die jetzt lieber gleich ganz zumachen.

Und hören Sie auch von Wirten, die sich den Kontrollen verweigern werden?
Es herrscht noch viel Unklarheit. Die Branche versteht nicht, dass wir, die bereits in den letzten 18 Monaten viel für die Bewältigung der Pandemie geleistet haben, jetzt erneut «bestraft» werden.

Verliert Ihr Restaurant denn Gäste?
Uns erreichen fast täglich Stornierungen. Die abgesagten Geburtstagsfeste und Feiern werden nun wohl im Privaten stattfinden. Wie schlimm es wird, hängt davon ab, wie lange diese Massnahme andauert. Die Zertifikatspflicht spaltet die Gesellschaft und ist für den Zusammenhalt nicht gut.

Es ist nicht zuletzt Ihre Partei, die diese Spaltung befeuert und Bundesrat Alain Berset einen Diktator nennt.
Der Bundesrat hat seit über anderthalb Jahren aufgrund der besonderen Lage des Epidemiengesetzes weitgehende und alleinige Kompetenzen. Das ist aus demokratischer Sicht unhaltbar. Und er will seine Kompetenzen nicht abgeben, das Parlament kann kaum mitreden. Dass der Bundesrat die Menschen nun aufgrund des Impfstatus in Kategorien einteilt und Zutritte bestimmt – da hat er nun den Bogen überspannt. Dagegen wehrt sich die SVP.

Mit der Ausweitung der Zertifikatspflicht bekommt die Abstimmung über das Covid-Gesetz zusätzliches Gewicht. Wird sich Gastrosuisse im Nein-Lager engagieren?
Das werden wir im Vorstand diskutieren. Denn ich erinnere mich noch gut: Das Zertifikat wurde vom Parlament mit Blick auf den internationalen Reiseverkehr beschlossen. Ein Einsatz im Innern stand damals gar nicht zur Diskussion. Nun braucht man ab Montag für den Besuch eines Restaurants ein Zertifikat, kann aber ohne ein solches in die Schweiz einreisen. Das ist schwer zu verstehen.

Wenn sich aber nun wegen der Zertifikatspflicht mehr Leute impfen lassen, hilft das, die Pandemie endlich zu überwinden!
Aber der Staat forciert das auf dem Buckel der Fitnesscenter, Restaurants und Museen, das hat für mich einen schalen Beigeschmack. Die Behörden müssten die Menschen anhand von Fakten überzeugen, dass das Impfen das Richtige ist. Anscheinend gelingt ihnen das zu wenig.

Da könnte die SVP, die viele Impfskeptiker in ihren Reihen hat, Gutes bewirken. Ein Bekenntnis Ihrer Partei zur Impfung hat es nie gegeben.
Die SVP ist froh um alle, die sich impfen lassen. Aber wir sagen: In einem freien Land darf es keinen Impfzwang geben, es muss jeder selber entscheiden, ob er das will. Ich bin geimpft, wie viele meiner Kollegen in der SVP.

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