Sie haben keine Chance. 14 Menschen sterben. Nur der kleine Eitan (5) überlebt schwer verletzt den Absturz am Pfingstsonntag über dem Lago Maggiore. Seine Eltern, sein Bruder und seine Urgrosseltern kommen ums Leben. Und alles nur, weil die Betreiber der Seilbahn Geld sparen wollten. Sie hatten die Notbremse mit einer roten Klammer blockiert. Eine illegale Notlösung, die 14 Menschen das Leben kostete.
Solch eine Katastrophe wäre auch in der Schweiz möglich. «Wir haben festgestellt, dass wieder ein Sessel oder eine Gondel abstürzen könnte», sagt Christoph Kupper, Untersuchungsleiter der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust), zur Zeitschrift «Saldo».
Der Grund: mangelhafte Klemmen. Sie würden nur schlecht schliessen. Ein Fehler, der dramatisch enden kann. Daher wurde das Bundesamt für Verkehr auch von der Sust in einem Bericht im September 2020 auf dieses «Sicherheitsdefizit» hingewiesen.
In diesem Zusammenhang habe die Sust auch die Empfehlung ausgesprochen, dass Bahnen nicht mehr fahren dürften, solange die Klammern nur schlecht schliessen. Entsprechende Nachweise über die Funktion der Klammern müssten beim Bundesamt für Verkehr vorgelegt werden. Wichtig: Bahnen sollten nicht mehr abfahren können, wenn die Klemmen nicht richtig schliessen.
«Absturz des Sessels ist auf ein Klemmversagen zurückzuführen»
Der Klemmen-Hersteller, die Firma Doppelmayr Garaventa, spricht von 52 Anlagen, welche den betroffenen Klemm-Typ benutzen. Insbesondere stark frequentierte Bahnen würde die Klemmen verwenden. Darunter zum Beispiel Anlagen in Davos GR, Flims GR oder Grindelwald BE. Die Betreiber sehen das mit den Klemmen nicht so dramatisch und betonen auf Anfrage von «Saldo», dass die Anlagen sicher seien. Schliesslich würde man die Sicherheitshinweise von Doppelmayr Garaventa beachten.
Und trotzdem passierte am 11. Februar 2016 genau das. Ein leerer 4-Sessel stürzte am Flumserberg SG ab. Verletzt wurde niemand. Schon damals schrieb die Sust in ihrem Abschlussbericht: «Der Absturz des Sessels ist auf ein Klemmversagen der Klemme zurückzuführen.»
Bundesamt für Verkehr sieht keinen Handlungsbedarf
Daraufhin wurden alle Anlagen durch Doppelmayr Garaventa über die korrekte Wartung und Instandhaltung informiert. Mehr passierte nicht. Auch, weil die Sust festhielt, dass es zuvor kein Versagen bei Bahnen mit diesem Klemmentyp gab.
Auf Nachfrage von «Saldo» erklärt das Bundesamt für Verkehr, dass die Klemmen sicher seien. Die Betreiber müssten sich nur an die Vorgaben des Herstellers halten. Nichtsdestotrotz hält die Sust die Klemmen weiterhin für ein Sicherheitsrisiko. Doch das Bundesamt sieht keinen dringenden Handlungsbedarf und verweist auf die Überprüfungen der Anlagen. Dann werde man auch den Einsatz der Klemmen unter die Lupe nehmen. In erster Linie seien aber die Betreiber selbst verantwortlich. (jmh)